Diagnose von Alkoholabhängigkeit und Alkoholmissbrauch

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Untersuchungen zur Feststellung von Alkoholsucht

Die Diagnose von Alkoholabhängigkeit kann auf verschiedene Weise gestellt werden. Neben der gründlichen Anamnese, also der Befragung des Patienten und eventuell auch seines Umfelds, und der Auswertung dieses Fragebogens, gibt es natürlich auch den berühmten Bluttest. Welche Arten von Untersuchungen es gibt, und welche Werte im Blut auf den Missbrauch von Alkohol hinweisen, erfährst Du hier leicht verständlich erklärt.

Alkoholabhängigkeit feststellen

Um zweifelsfrei feststellen zu können, ob eine Alkoholsucht vorliegt, gibt es mitunter folgende Tests:

  1. Der sogenannte LAST (Lübecker Alkohol Screening Test) gibt Aufschluss über eventuellen Alkoholmissbrauch oder bedenklichen Alkoholkonsum
  2. Der AUDIT (Alcohol Use Disorders Idenfication Test) ist ein weiteres Instrument zum Feststellen einer Alkoholsucht
  3. Kategorisierung der Symptome laut ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), das von der Weltgesundheitsorganistion herausgegeben wurde
  4. Feststellen von typischen Begleiterscheinungen wie beispielsweise Bluthochdruck, Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, usw.
  5. Bluttest mit Fokus auf die Werte CDT, Gama-GT, AST und ALT

 

Was ist ein Alkoholiker?

Oft ist zu lesen, dass es sich bereits um Alkoholismus handelt, wenn täglich ein Glas Wein zum Feierabend getrunken wird. Letztlich wird die Krankheit aber nicht über dieses eine Glas definiert, sondern über das Trinkverhalten an sich.

Denn wenn Du täglich ein Bier trinkst, jedoch einmal keine Gelegenheit dazu hast, dann wirst Du das vielleicht schade finden, aber Du wirst deswegen noch keine Entzugserscheinungen verspüren. Und letztlich ist es genau das, was eine Suchterkrankung ausmacht, nämlich eine körperliche Reaktion auf den fehlenden Alkohol.

Erschwert wird die Anamneseerhebung vor allem durch den Erkrankten selbst, da die Auskünfte auf die Testfragen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Daher wird der Arzt, Psychologe oder Therapeut beim Gespräch ganz genau die Reaktion des Befragten beobachten und Rückschlüsse aus dem Verhalten ziehen.

Außerdem werden die Untersuchungen kombiniert, um ein genaueres Bild für eine eventuelle Diagnose von Alkoholabhängigkeit stellen zu können.

Was wird in der Anamneseerhebung gefragt?

Der AUDIT Fragebogen beinhaltet eher harmlos wirkende Fragen, die besonders auf die Trinkgewohnheiten eingehen, und sich nur am Rande mit der Frage beschäftigen, ob das soziale Umfeld bereits auf einen eventuell übermäßigen Alkoholkonsum aufmerksam wurde.

So wird der behandelnde Arzt während der Befragung wissen wollen, wie oft der Patient Alkohol trinkt. Außerdem wird hinterfragt, wie häufig innerhalb eines Jahres mehr getrunken wurde, als ursprünglich beabsichtigt, und ob auch am Morgen bereits Alkohol konsumiert wird.

Zusätzlich will der Interviewer wissen, ob bereits Aufgaben des Alltags oder Berufslebens vernachlässigt wurden, und ob dies ein Resultat des Trinkens sei. Ganz am Ende wird der Erkrankte gefragt, ob er seitens der Familie, der Freunde oder gar eines Arztes auf übermäßiges Trinken angesprochen worden sei.

IDC-10 und LAST Fragebogen

Beim LAST Fragebogen finden sich ähnliche Fragen, jedoch wird hier mehr auf die Eigenwahrnehmung eingegangen. Es wird gefragt, ob der Patient der Meinung sei, jederzeit mit dem Trinken aufhören zu können, und ob sich manchmal ein Gefühl der Schuldigkeit während des Alkoholkonsums einstellen würde. Ganz direkt wird ein mit Alkoholgenuss zusammenhängender, eventueller Krankenhausaufenthalt der Vergangenheit abgefragt. Auch wird Auskunft darüber verlangt, ob bislang eine Leberfunktionsstörung beim Patienten festgestellt wurde.

Bei beiden Tests ist die bei der Auswertung vergebene Punktzahl ausschlaggebend für eine Diagnose. Ebenso verhält es sich bei anderen existierenden Tests, die bei einer Befragung im Bezug auf Trinksucht angewendet werden können.

Das IDC-10 verfährt dabei ähnlich. Das standardisierte und international verwendete Hilfsmittel hinterfragt die gesteigerte Lust auf Alkohol, die Unfähigkeit mit dem Trinken aufzuhören, sowie die Toleranzschwelle, also ob über die Zeit größere Mengen alkoholischer Getränke konsumiert werden müssen, damit sich ein Wohlgefühl einstellt.

Zudem wird auf die Frage eingegangen, ob der Trinker trotz des Bewusstseins der Gesundheitsgefährdung weiter trinkt und ob er sich Vorräte anlegt. Letztlich liegt die Diagnose von Alkoholabhängigkeit laut IDC-10 dann vor, wenn von den abgefragten Symptomen drei verschiedene innerhalb eines Jahres aufgetreten sind.

visuelle Prüfung

Zum Schluss findet seitens des Arztes oder Therapeuten eine visuelle Prüfung des Patienten statt. Körperliche oder äußerlich sichtbare Symptome werden in die Auswertung miteinbezogen. So spielt der Alkoholfötor (Mundgeruch, der auf Alkoholkonsum hindeutet) ebenso eine Rolle, wie eventuell gerötete Handinnenflächen oder die im Volksmund sogenannte Schnapsnase (Rhinophym).

Zusätzlich werden auffällige Konzentrationsstörungen notiert, und überprüft, ob der Befragte zu erhöhtem Schwitzen oder zum Zittern neigt. Natürlich wird sich ein Arzt außerdem erkundigen, ob der Patient mit folgenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat:

1.) Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse)
2.) Myokardschäden (Eingeschränkte Funktion des Herzmuskels)
3.) Probleme mit dem Magen oder dem Darm (Übelkeit, Stuhlgang, Magenschmerzen)
4.) Sexuelle Funktionsstörungen
5.) Depressionen, Gemütsschwankungen oder Angstzustände und Wahnvorstellungen
6.) Bluthochdruck

Alle erfassten und ausgewerteten Indizien dienen bereits hier richtungsweisend für eine spätere Therapie, die im Anschluss an eine Entgiftung, möglichst zeitnah, erfolgen soll. Tatsächlich sehen sich Erkrankte nach dem Entzug als geheilt an.

Doch diese Annahme ist trügerisch. Denn ein Alkoholiker wird nie gänzlich von seiner Krankheit befreit sein. Sie wird sein gesamtes Leben prägen und beeinflussen. Das wird ihm auch nach dem klinischen Entzug so vermittelt, und doch werden oftmals alle Warnungen in den Wind geschlagen, worauf fast unweigerlich ein Rückfall erfolgt.

Was wird mit dem Bluttest ermittelt?

Anhand des Bluttests kann ein Alkoholmissbrauch nachgewiesen werden. Besonders durch die bereits vorher erwähnten Werte kann Alkoholismus fast zweifelsfrei festgestellt werden. Dabei weist der Wert CDT nach, ob in den vergangenen drei Wochen ein erhöhter Alkoholgenuss stattgefunden hat.

Die Werte des Gamma-GT, AST und ALT stehen für die Leberwerte und somit für die Funktion des Organs. Eine Leberzirrhose oder eine Fettleber sind deutliche Indikatoren für den Missbrauch von Alkohol.

Auch nach erfolgtem Entzug werden die Leberwerte bei regelmäßigen Arztbesuchen kontrolliert. Dabei geht es nicht ausschließlich um den Nachweis eines Rückfalls in den Alkoholismus, sondern vielmehr um die Spätfolgen des Trinkens oder um die Verbesserung von schlechten Werten.

 

Spielt das familiäre Umfeld bei den Untersuchungen eine Rolle?

In Deutschland gilt selbstverständlich die ärztliche Schweigepflicht. Somit wird kein Familienmitglied bei den Untersuchungen zugegen sein, es sei denn, es wird vom Patienten ausdrücklich so gewünscht.

Doch nur in den seltensten Fällen wollen die Erkrankten Zeugen bei der Anamnese bei sich haben. Besonders weil Betroffene dazu neigen, ihre Sucht herunterzuspielen und zu verharmlosen. Sie tun sich schwer, sich selbst als Alkoholiker zu sehen, und wie bei jeder anderen Suchterkrankung auch, bedarf es erst der Einsicht des Erkrankten, bevor die Behandlung selbst von Erfolg gekrönt sein kann.

Trotzdem sollte bedacht werden, dass gerade das nähere familiäre und soziale Umfeld eine große Stütze in der Zeit des Entzugs und der Therapie sein kann. Und auch danach ist es umso schwieriger, wieder Fuß im Alltag zu fassen, ohne auf die Unterstützung von geliebten Menschen zurückgreifen zu können.

Was kannst Du tun, um zu helfen?

Wenn Du in Deinem engen Umfeld einen Menschen hast, der den Anschein erweckt, ein Alkoholismusproblem zu haben, solltest Du zunächst mit dieser Person sprechen. Vielleicht lässt sie sich zu einem Arztbesuch überreden. Biete Deine Unterstützung an. Erkläre, dass Du gerne mit zur Besprechung mit dem Arzt kommst, um dem mutmaßlich Alkoholkranken die Angst zu nehmen.

Rechne bei solch einer Unterredung immer mit einem zornigen Wutausbruch des Alkoholikers, oder auch mit Tränen. Vielleicht streitet er auch ganz einfach den übermäßigen Alkoholgenuss ab oder spielt ihn herunter. In jedem Fall jedoch wird er Ausreden und Entschuldigungen finden, um seine Sucht zu rechtfertigen.

Meist ist es der Stress auf der Arbeit, der Verlust eines Familienmitglieds oder eine schwierige finanzielle Situation, die als Gründe für das Trinken herhalten müssen.

Leider verhält es sich jedoch so, dass Alkoholiker früher oder später bei der Polizei auffällig werden, oder gar nach einer durchzechten Nacht in der Notaufnahme des Krankenhauses landen. In diesem Fall solltest Du handeln, und um eine Unterredung mit dem Pflegepersonal oder einem Arzt in der Klinik bitten. Im Verlauf dieser Unterhaltung könntest Du auf die Problematik des übermäßigen und andauernden Alkoholgenusses des Erkrankten hinweisen. Oft haben Ärzte ganz andere Möglichkeiten der Überzeugung und können gezielt helfen.

Ursachenbekämpfung zur Heilung

Der krankhafte Genuss von Alkoholika kommt nicht einfach so. Um also die Sucht selbst zu bekämpfen, müssen auch die Ursachen hinterfragt werden. Warum wurde ein geliebter Mensch zum krankhaften Trinker? Wird der Grund nicht genügend erforscht, und eine Beseitigung der Probleme angegangen, sind alle Untersuchungen nach der Diagnose von Alkoholabhängigkeit sinnlos.

Daher ist es unabdingbar, nach der Entgiftung an einer Therapie teilzunehmen. Der Umgang mit Sorgen und das Bewältigen von Stress werden hier ebenso vermittelt, wie Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Nicht selten hilft bereits die Erkenntnis, dass jeder Mensch seine ganz eigenen Ängste und Nöte durchlebt. Und diese Gewissheit ist ein großer Bestandteil jeder Suchttherapie.

Vergiss bitte nicht, dass es sowohl bei stationären als auch bei ambulanten Therapien immer wieder Sitzungen gibt, bei denen Familienmitglieder teilnehmen dürfen. Diese Zusammenkünfte sind für das gegenseitige Verstehen von großer Wichtigkeit. Sie bereiten auf das Leben nach der Diagnose Alkoholabhängigkeit vor.

Auch heben sie hervor, dass regelmäßige Untersuchungen des Hausarztes zur Vorsorge und Früherkennung von Späterkrankungen dringend notwendig sind. Denn nicht nur die Organe wie Leber, Magen oder Milz sind durch den Missbrauch von Alkohol schwer belastet worden, sondern auch das Gehirn kann Schaden genommen haben.

Die Untersuchungen zur Diagnose von Alkoholabhängigkeit sind umfangreich. Neben den Erhebungen der Anamnese sind vor allem die Bluttests aussagekräftig und verlässlich. Was jedoch unternommen wird, sobald der Alkoholismus erkannt wurde, liegt allein in der Hand des Erkrankten und an der Beharrlichkeit und dem hingebungsvollen Zuspruch seiner Familie.