Blutgerinnungsstörungen (Koagulopathie)
In der Medizin bezeichnet man Blutgerinnungsstörungen als Koagulopathien oder Gerinnungsstörung – ein Koagel ist ein Blutpfropf, eine -pathie eine Erkrankung. Es ist eine Störung der Hämostase (Blutgerinnung) bei der die verminderter Blutgerinnung als Minuskoagulopathie bezeichnet wird, eine verstärkte Blutgerinnung heißt Pluskoagulopathie.
Das Wichtigste im Überblick
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- Die Blutgerinnung ist ein komplizierter Prozess, bei dem eine Kaskade von Reaktionen zur Bildung eines Wundpfropfes führt. Er verhindert das weitere Austreten von Blut und ist daher überlebenswichtig.
- Bei Blutgerinnungsstörungen ist dieser Vorgang gestört. Das führt dazu, dass sich viel zu schnell ein Blutgerinnsel bildet oder der Wundverschluss nicht funktioniert.
- Bei verminderter Blutgerinnung droht daher Verbluten. Ist sie verstärkt, so bilden sich Blutgerinnsel, die Kapillargefäße verstopfen und so Lungenembolien, Herzinfarkte oder Schlaganfälle hervorrufen.
- Die Diagnose von Blutgerinnungsstörungen erfolgt am Patientenblut, in dem die Gerinnungsfaktoren bestimmt werden.
- Mithilfe von Medikamenten lassen sich Blutgerinnungsstörungen beseitigen – sie „verdünnen“ das Blut oder ergänzen fehlende Faktoren der Blutgerinnungskaskade.
Wie empfindlich die zahlreichen Gleichgewichte in unserem Körper sind, merkt man sehr gut am Beispiel der Blutgerinnung: Ist sie vermindert, droht man bei der kleinsten Verletzung zu verbluten.
Ist sie verstärkt, besteht die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln, die Blutgefäße verstopfen und so zu Thrombose, Herzinfarkt und Schlaganfall führen können. Solche Blutgerinnungsstörungen sind häufiger als vielfach angenommen und Anlass für zahlreiche Erkrankungen.
Warum ist eine Blutgerinnungsstörung gefährlich?
Die Blutgefäße sind wichtige Leitungsbahnen unseres Körpers. Sie dienen dem Transport einer Vielzahl von Substanzen, darunter Sauerstoff, Nährstoffen und Hormonen, aber auch Wärme und Flüssigkeit. Daher ist eine Aufrechterhaltung des normalen Blutvolumens von rund fünf Litern lebensnotwendig.
Daher kann es sich der Körper nicht erlauben, allzu viel von diesem kostbaren Saft zu verlieren. Werden Gefäße verletzt, müssen sie schnellstens wieder verschlossen werden, damit keine unnötigen Blutverluste auftreten. Diesen Wundverschluss sicherzustellen ist die Hauptaufgabe der Blutgerinnung.
Umgekehrt darf die Blutgerinnung nicht überempfindlich reagieren und beim kleinsten Anlass zur Bildung eines Blutgerinnsels führen. Geschieht das doch einmal, ist es die Aufgabe der Fibrinolyse, den Hauptanteil eines solchen Blutgerinnsels, das fadenförmige Fibrin aufzulösen.
Funktioniert das nicht, kann ein solches Blutgerinnsel am Ort seiner Entstehung das Gefäß verstopfen (Thrombose, etwa tiefe Bein- und Beckenvenenthrombose) oder fortgeschwemmt in einem vom Bildungsort entfernten Kapillarsystem zu einer Blockade führen (Embolie). Dann drohen teils lebensbedrohliche Zustände in Form von Lungenembolie, Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Symptome einer Minus-Koagulopathie –
Typisch für eine Minus-Koagulopathie, gleich ob erworben oder angeboren, ist eine verstärkte Blutungsneigung. Medizinisch spricht man von einer hämorrhagischen Diasthese. Sie äußert sich nicht nur in fast unstillbaren Blutungen bei oberflächlichen Verletzungen, sondern auch in inneren Blutungen, die oft unbemerkt bleiben.
Offensichtlicher sind Blutergüsse (Hämatome) unter der Haut. Dabei reicht es aus, wenn sich ein Patient gestossen hat. Ähnlich offensichtlich sind Nasen- und Zahnfleischbluten und Gelenkschmerzen, die durch das Einbluten in Gelenke entstehen. Ebenso kommt es zu stecknadelkopfgroßen Einblutungen in die Haut, sogenannten Petechien, die sich mit verstärkter Blutungsneigung flächenhaft ausdehnen.
Symptome einer Plus-Koagulopathie
Häufig ist eine Plus-Koagulopathie wesentlich heimtückischer als die Minus-Variante, da sie sich erst durch den Verschluss eines Gefäßes bemerkbar macht. Man spricht hier von einer verstärkten Thromboseneigung oder Thrombophilie.
Bei der häufigen tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose schwillt das Bein an, überwärmt und schmerzt. Noch dramatischer sind die Folgezustände beim Verschluss von Gefäßen in Lunge, Herz und Gehirn in Form von Lungenembolie, Herzinfart und Schlaganfall.
Welche Blutgerinnungsstörungen gibt es?
Die häufigsten Minus-Koagulopathien
- Verbrauchskoagulopathien sind recht häufig – man bezeichnet damit einen erhöhten Verbrauch von Gerinnungsfaktoren nach erheblichen Blutverlusten wie traumatischen Verletzungen, Verbrennungen oder Operationen. Sie führen – sehr kontraproduktiv – zu verstärkter Blutungsneigung.
- Thrombozytopenie ist ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten). Sie sind wichtige Elemente der Blutgerinnung, sodass ein Fehlen die Blutgerinnung herabsetzt.
- Die Bluterkrankheit (Hämophilie) ist die bekannteste angeborene Minus-Koagulopathie. Hier fehlen die Gerinnungsfaktoren VIII oder IX. Heutzutage kann man die Erkrankung mit künstlichen Gerinnungsfaktoren behandeln.
- Häufiger ist das von Willebrand-Jürgens-Syndrom, bei dem der von Willebrand-Faktor fehlt, ein wichtiger Kooperationspartner des Faktors VIII der Blutgerinnung. Die meisten Formen verlaufen sehr milde und werden kaum bemerkt.
Die häufigsten Plus-Koagulopathien
Thrombophilien sind auf veränderte Fließeigenschaften des Blutes zurückzuführen. Schon Rudolf Virchow erkannte die drei wichtigen Elemente, die man heute als Virchow-Trias bezeichnet:
- Blutzusammensetzung,
- Strömungsverhalten und
- Eigenschaften der Gefäßwände.
Sie werden beeinflusst durch genetischen Risikofaktoren wie
- Antithrombin-Mangel
- APC-Resistenz
- Protein C-Mangel
- Protein S-Mangel
und erworbene Risikofaktoren wie
- fortgeschrittenes Lebensalter
- Übergewicht
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- orale Kontrazeptiva („Pille“)
- Schwangerschaft
- Herzinsuffizienz.
Quellen, Links und Literatur
- Patientenratgeber zu Blutgerinnungstörungen von Hexal Elements weiterlesen↑
- Pharmazeutische Zeitung online – Artikel: Blutgerinnung im Verzug
- Klaus Dörner: Taschenlehrbuch Klinische Chemie und Hämatologie. 8. Auflage. Stuttgart 2019: Georg Thieme-Verlag. ISBN-10: 3131297182.
- Gerd Herold: Innere Medizin. Köln 2019: G. Herold Verlag. ISBN-10: 3981466063
- Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart 2012: Springer-Verlag. ISBN-10: 3642331076.