Leukopenie – Leukozyten zu niedrig

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Ist der Blutwert der Leukozyten zu niedrig, spricht man von einer Leukopenie. Sie tritt auf, wenn viele weiße Blutkörperchen durch Infektionen oder Entzündungen verbraucht werden oder die blutbildenden Zellen des Knochenmarks nicht genug davon herstellen. Stellt der Arzt eine Leukopenie fest, steht bei der Therapie die Beseitigung der Ursache im Vordergrund.

Leukozyten im Blut www.grossesblutbild.de
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Was ist eine Leukopenie?

Als –penie bezeichnet man in der Hämatologie alle Erscheinungen, bei denen zu wenige Zellen eines bestimmten Typs vorliegen. Bei der Leukopenie oder eigentlich korrekter Leukozytopenie sinkt die Anzahl der weißen Blutkörperchen unter den Normwert ab.

Gemessen wird die Zahl der weißen Blutkörperchen im kleinen Blutbild, in dem die entsprechenden Werte als LEUK für Leukozyten oder WBC für white blood cells bezeichnet sind. Normalerweise ist dieser bei Männern und Frauen gleiche Blutwert im

Referenzbereich Leukozyten: 3.800 – 10.500 Stück/µl (Mikroliter = 1/1.000 Milliliter).

Leukopenie bedeutet, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen unter 3.500/µl sinkt. Eine kritische Leukopenie bedeutet, dass der Wert noch weiter heruntergeht und 800/µl unterschreitet – dann liegt eine erhöhte Infektionsgefährdung vor. Die Immunabwehr ist dann so schwach, dass bereits ein einfacher Schnupfen tödliche Folgen haben kann. Das zeigt, wie wichtig die Leukozyten für unser tägliches Überlegen sind.

Klinisch am wichtigsten sind Verminderungen in der Zahl der Lymphozyten (Lymphozytopenie) und der Granulozyten (Granulozytopenie). Bei letzterer stehen die zahlenmäßig überwiegenden neutrophilen Granulozyten im Vordergrund, deren Fehlen zu einer Neutropenie führt. Solche Bestimmungen sind dem großen Blutbild vorbehalten, das nicht nur die weißen Blutkörperchen insgesamt zählt, sondern als Differenzialblutbild zwischen den einzelnen Typen von Leukozyten unterscheidet.

Das Wichtigste auf einen Blick!

  1. Ist der Blutwert der Leukozyten zu niedrig, spricht man von einer Leukopenie oder Leukozytopenie.
  2. Die weißen Blutkörperchen sind für die Immunabwehr zuständig, sodass ein erniedrigter Blutwert mit erhöhten Risiko für Infektionen einhergeht.
  3. Hauptursache einer Leukopenie ist ein erhöhter Verbrauch weißer Blutkörperchen durch Infektionen oder Autoimmunreaktionen.
  4. Zu wenige weiße Blutkörperchen finden sich im Blutbild, wenn die Milz sie aus dem peripheren Blut entzieht und das Knochenmark zu wenige davon produziert.
  5. Bei der Behandlung der Leukopenie steht die Therapie der Ursache im Vordergrund.

Normwerte der Leukozyten

Leukozyten Leukozyten Anzahl von 3800 bis 10500 µl von 3800 bis 10500 µl
veränderte Leuko Werte:

 

   
 

Granulozyten

   
Differenzial-blutbild stabkernige Neutrophile Granulozyten 3 bis 5% 3 bis 5%
  segmentkernige Neutrophile Granulozyten 54 bis 62% 54 bis 62%
  Basophile Granulozyten 0 bis 1% 0 bis 1%
  Eosinophile Granulozyten 1 bis 4% 1 bis 4%
 

Monozyten

3 bis 8% 3 bis 8%
 

Lymphozyten

25 bis 45% 25 bis 45%

Leukozyten zu niedrig aufgrund hohen Verbrauchs

Die weißen Blutkörperchen sind größtenteils Kamikaze-Piloten. Fresszellen stürzen sich ohne Rücksicht auf Verluste auf Einzeller, Viren oder Bakterien und gehen bei dieser Aktion bald selbst zugrunde. Vorher zerlegen sie die Eindringlinge und präsentieren Bruchstücke davon an ihrer Zelloberfläche.

Diese Antigenpräsentation liefert der „humoralen“ Immunabwehr die Matrizen für die Bildung von Antikörpern, mit denen sich das Immunsystem weiter gegen Keime wehrt. Die in speziellen Gedächtniszellen hinterlegten Informationen über diese Antigene erlaubt eine wesentlich schnellere Immunreaktion, sollte das gleiche Bakterium oder derselbe Virus noch einmal sein Glück versuchen.

Das führt dazu, dass bei vielen Infektionskrankheiten sehr viele Leukozyten „verbraucht“ werden und eine Leukopenie auftritt.

Blutbild und Diagnostik

Paradebeispiel ist eine Blutvergiftung (Sepsis), bei der Krankheitserreger in die Blutbahn gelangen. Dann wirft die Immunabwehr alle ihr zur Verfügung stehenden Zellen in den Kampf, um die Keime vor einer weiteren Verteilung im Körper abzuhalten.

Ganz ähnlich sieht es bei einer Reihe anderer Infektionskrankheiten aus:

  • bakterielle Infektionen mit
    • Salmonellen (Lebensmittelvergiftungen, Typhus)
    • Borrelien (Borreliose)
    • Brucellen (Brucellose)
    • Rickettsien (Rickettsiose und Fleckfieber)
    • Chlamydien (Chlamydiose, Psittacose)
  • Virusinfektionen mit
    • Influenzavirus („echte“ Grippe)
    • Masernvirus (Masern)
    • Rubulavirus (Mumps)
    • Rubellavirus (Röteln)
    • Dengue-Virus (Dengue-Fieber)
  • oder Einzellern
    • Trypanosomen (Malaria)
    • Leishmanien (Leishmaniasis, Kala-Azar)

Leukozyten zu niedrig durch Autoimmunerkrankungen

Bei Autoimmunkrankheiten greift ein fehlgesteuertes Immunsystem keine körperfremden, sondern körpereigene Substanzen an, die normalerweise einem Selbstschutz unterliegen.

Was als „eigen“ oder „fremd“ gilt, entscheidet sich in den beiden ersten Tagen nach der Geburt. Durch eine Störung fallen Immunzellen über Zellen des Körpers her, die keinerlei Gefahr darstellen und die sie eigentlich in Ruhe lassen sollten.

Das nimmt mitunter erhebliche Ausmaße an – steigen bei einer normalen Entzündungsreaktion die Leukozytenwerte an, sorgen einige Autoimmunerkrankungen für einen so hohen Verbrauch an Immunzellen, dass der entsprechende Blutwert für Leukozyten in den Keller geht.

Das Knochenmark kommt gar nicht so schnell mit der Herstellung neuer weißer Blutkörperchen nach.

Zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen die Blutwerte der Leukozyten zu niedrig ausfallen, gehören

  • Allergien
    • Tierhaarallergie
    • Pollenallergie (Heuschnupfen)
    • Hausstaubmilbenallergie
  • Hashimoto-Thyreoiditis (Entzündung und Zerstörung der Schilddrüse)
  • Schmetterlingsflechte (Lupus erythematodes durch antinukleäre Antikörper (ANA), die Zellen in Haut, Nieren und anderen Organen angreifen)
  • Sklerodermie und CREST-Syndrom (Verhärtungen der Haut mit Veränderungen an inneren Organen)
  • Skelettmuskelentzündungen (Polymyositis und Dermatomyositis)
  • rheumatische Fieber und rheumatpode Arthritis nach einer vorangegangenen Streptokokken-Infektion
  • autoallergische Bindegewebserkrankungen
    • Buschke-Ollendorf-Syndrom
    • Löfgren-Syndrom (Sarkoidose)
    • Scharp-Syndrom (Mischkollagenose aus Lupus, Sklerodermie, Polymyositis und rheumatoider Arthritis)

Beeinträchtige Blutbildung

Für die Produktion von weißen Blutkörperchen ist das Knochenmark zuständig. Diese kann durch eine ganze Reihe von Faktoren gestört werden, in deren Folge es zu einer Leukopenie kommt:

  • Leukozyten zu niedrig durch Mangelerscheinungen. Die hämatopoetischen Stammzellen brauchen ausreichend Material, um weiße Blutkörperchen bilden zu können. Ähnlich wie bei den roten Blutkörperchen das Eisen für die Häm-Synthese sind bei den weißen Blutkörperchen begrenzende Faktoren
    • Zink
    • Kupfer
    • Vitamin B9 (Folsäure)
    • Vitamin B12 (Cobalamin)
  • Leukozyten zu niedrig durch Schädigung des Knochenmarks nach Krebstherapie. Die Zellen des Knochenmarks gehören zu den am schnellsten wachsenden Zellen des Körpers. Eine Krebstherapie zielt darauf ab, alle schnellwachsenden Zellen, zu denen vor allem Tumorzellen gehören, zu schädigen und abzutöten. Leider machen Chemotherapie und Bestrahlung vor anderen schnell proliferierenden Geweben nicht halt. Daher fallen die Haare aus (Haarfollikelzellen), kommt es zu Durchfällen (Darmepithelzellen) und sinken die Leukozytenwerte durch Beeinträchtigung der Stammzellen. In einem solchen Fall spricht man von einer Myelosuppression.

 

  • Leukozyten zu niedrig durch Strahlung. Nicht nur Chemotherapie und Bestrahlung schädigen die Zellen des hämatopoetischen Systems, sondern auch Radioaktivität. Opfer von Atombombenabwürfen und Reaktorunfällen sterben daher vornehmlich an den Folgen einer kritischen Leukopenie, die das Immunsystem völlig außer Kraft setzt.

 

  • Leukozyten zu niedrig als Nebenwirkung von Medikamenten. Schnell wachsende Zellen wie die des Knochenmarks sind nicht nur gegenüber Strahlung und Zytostatika höchst sensibel. Auch etliche Medikamente wirken sich auf den hohen Stoffwechsel dieser Zellen aus und führen zu erheblichen Störungen, in deren Folge die Leukozytenproduktion leidet. Zu diesen Arzneimitteln gehören
    • Valproat gegen Epilepsie
    • Clozapin gegen Psychosen
    • Beta-Interferon gegen schwere Virusinfektionen und Multiple Sklerose
    • Bupropion gegen Depressionen und zur Raucherentwöhnung
    • Thiamazol gegen Schilddrüsenüberfunktionen
    • Minociclin als Breitbandantibiotikum gegen Bakterien
    • Sulfasalazin gegen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
    • Gichtpatienten müssen nach Organtransplantationen mit Leukopenien rechnen, wenn sie Allopurinol gegen Hyperurikämie und zeitgleich Azathioprin zur Immunsuppression einnehmen.

Wenn die Milz Leukozyten bunkert

Die Milz ist ein wichtiger Zwischenspeicher für alle Blutzellen. Bei einer vergrößerten Milz (Splenomegalie) sammeln sie sich im vergrößerten Organ und fehlen damit in der Peripherie.

Was tun bei zu niedrigen Leukozyten-Werten?

Die Ursachen für eine Leukopenie sind vielfältig. Daher steht bei ihrer Behandlung die Therapie der Ursache an erster Stelle. Bei der Krebstherapie muss peinlich auf eine Mindestzahl von Leukozyten geachtet werden. Am einfachsten sind Mangelerscheinungen zu beheben. Bei Infektionen steht die Bekämpfung der Erreger im Vordergrund.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  • Gerd Herold: Innere Medizin. Köln 2019: G. Herold-Verlag. ISBN-10: 3981466063
  • Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart 2012: Springer-Verlag. ISBN-10: 3642331076.
  • Reinhard Andreesen, Hermann Heimpel: Klinische Hämatologie. München 2009: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 343731498X.
  • Marlies Michl: BASICS Hämatologie. München 2019: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 3437421697.
  • Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. Berlin 2019: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110339978.
  • Marlies Michl: BASICS Hämatologie. München 2019: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 3437421697.
  • Kurt Possinger, Anne Constanze Regierer: Facharztwissen Hämatologie Onkologie. 3. Auflage. München 2019: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 3437212133.