Erythrozytose

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Erythrozytose ist die medizinische Bezeichnung für einen Überschuss roter Blutkörperchen im Blut. Die sauerstofftransportierenden Blutzellen werden im Knochenmark vermehrt produziert, wenn ein Sauerstoffmangel vorliegt. Dieser kommt durch die Anpassung des Körpers an große Höhen oder Störungen im Sauerstofftransportsystem zustande. Durch den höheren Anteil zellulärer Bestandteile am Blut im Vergleich zum Blutplasma steigt die Viskosität des Blutes. Dadurch erhöht sich das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln.

Polyglobulie Erythrozytose

Erythrozytose – Was ist das?

Der Name kommt aus dem Griechischen und bezeichnet zum einen die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), zum anderen eine pathologische Vermehrung von Blutzellen (-zytose). Das bedeutet, dass die Anzahl dieser Hämozyten gegenüber dem Normalwert erhöht ist. Ein Synonym dafür ist Polyglobulie.

Das Wichtigste auf einen Blick!

  1. Erythrozytose bedeutet eine Vermehrung der roten Blutkörperchen gegenüber dem Normalwert. Synonym dazu wird der Begriff Polyglobulie verwendet.
  2. Zu einer solchen Vermehrung von Blutzellen kommt es bei vermindertem Sauerstoffangebot oder wenn die Bildung der Erythrozyten im Knochenmark durch eine Erkrankung verändert ist.
  3. Feststellbar ist das im kleinen oder großen Blutbild.
  4. Sie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom. Daher richtet sich die Therapie nach der Krankheitsursache.
  5. Zu viele Blutzellen beeinträchtigen das Fließvermögen des Blutes und führen verstärkt zur Bildung von Blutgerinnseln.

Wie viele rote Blutkörperchen sind im Blut normal?

Der Normwert oder Referenzbereich der Erythrozyten im Blut (ERY, RBC) liegt bei Männern bei 4,2-6,0/pl (Picoliter), bei Frauen bei 3,9-5,3/pl.

Wie stellt man eine Erythrozytose fest?

Dei Diagnose erfolgt im kleinen Blutbild, das Ärzte in hämatologischen Laboren aus Patientenblut bestimmen lassen. Ebenso wichtig ist die Bestimmung des Hämoglobingehaltes (Hb) und des Hämatokrits (Hkt).

Welche Formen gibt es?

Erythrozytose bedeutet eine Veränderung der Erythrozytenkonzentration – also der Anzahl der Zellen im Verhältnis zum Plasmavolumen. Ein Zuviel kann demzufolge bedeuten, dass zu viele rote Blutkörperchen gebildet werden oder zu wenig Blutplasma vorhanden ist. Ersteres bezeichnet man als absolute, letzteres als relative Erythrozytose.

Ein Zuviel roter Blutkörperchen ist genetisch bedingt (primäre Erythrozytose) oder erworben (sekundäre Erythrozytose).

Ursachen der relativen Erythrozytose

Zu wenig Blutplasma ist meistens die Folge eines hohen, nicht ausgeglichenen Flüssigkeitsverlustes. Dieser kommt klinisch meistens durch Erbrechen, Durchfälle oder zu wenig trinken zustande. Da es sich hier nicht um eine „echte“ Vermehrung der roten Blutkörperchen handelt, spricht man von einer Pseudoglobulie.

Ursachen der absoluten Erythrozytose

Polycythaemia vera. Die primäre Form ist kennzeichnend für die Polyzythämie (Polycythaemia vera). Dabei handelt es sich um eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung. Infolge von Mutationen im Erbgut von Stammzellen des Knochenmarks bilden diese verstärkt rote Blutkörperchen. Zudem ist die Produktion der Blutplättchen (Thrombozyten) und teilweise von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) höher als normal.

Die Folgen sind die einer klassischen Erythrozytose mit Durchblutungsstörungen und verstärkter Thromboseneigung mit vermehrten Lungenembolien, Schlaganfällen, Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie Myokardinfarkten.

Sekundäre Erythrozytose. Immer wenn die Körperzellen ein Mehr an Sauerstoff anfordern, steigern die Nieren die Produktion von Erythropoetin (EPO). Das als Dopingmittel bekannt gewordene Hormon regt die myeloischen Stammzellen des Knochenmarks zur Bildung roter Blutkörperchen an.

Das bedeutet, dass ein vermindertes Sauerstoffangebot die Erythrozytenproduktion erhöht. Zu einem solchen Sauerstoffmangel kommt es bei Aufenthalten in großer Höhe, in der die Luft wesentlich dünner ist und daher weniger Sauerstoff enthält. Daher ist eine sekundäre Erythrozytose normale Folge von Hochgebirgsaufenthalten.

Zu einer ähnlichen Erhöhung der Erythrozytenzahl kommt es, wenn der Sauerstofftransport im Körper unzureichend funktioniert. Das kann durch eine verminderte Pumpleistung des Herzens zustande kommen, etwa durch einen geschwächten Herzmuskel (Herzinsuffizienz) oder unzureichend schließende Herzklappen infolge von Herzklappenfehlern (Vitien). Letzteres führt zu einem Rückfluss des bereits weitergepumpten Blutes und beeinträchtigt so die Sauerstoffversorgung.

Bei der Behandlung mit Cortisol oder einem Überschuss von Aldosteron kommt es ebenfalls regelmäßig zu einer sekundären Erythrozytose. Hohe Cortisolspiegel sind auch eine typische Erscheinung des Cushing-Syndroms, bei dem die Nebennierenrinde zu viel Cortisol produziert. Sekundär kann das eine Folge einer übermäßigen Ausschüttung des übergeordneten Hormons Adrenocorticotropin (ACTH) aus der Hypophyse sein (Morbus Cushing).

Wieso ist Erythrzytose gefährlich?

Ändern sich die Fließeigenschaften des Blutes infolge eines Ansteigens der Erythrozytenkonzentration, kommt es zu einer verminderten Durchblutung. Das viskosere Blut läuft langsamer durch die Kapillarsysteme. Zudem steigt das Risiko von Blutgerinnseln. Sie führen zur Verstopfung von Gefäßen und äußern sich mit Herzinfarkten, Lungenembolien und Schlaganfällen.

Behandlung

Bei Erythrozytose handelt es sich um ein Symptom, nicht um eine Krankheit. Daher entscheidet die Krankheitsursache über die zu erfolgende Therapie.

Im einfachsten Fall der relativen Erythrozytose infolge zu wenig Flüssigkeit erfolgt die Behandlung durch eine Verdünnung der roten Blutkörperchen. Das geschieht durch einen Aderlass und nachfolgende Volumensubstitution, welche die verbliebenen Erythrozyten im Blut auf normale Werte verdünnt.

Erythrozyten:

Quellen, Links und weiterführende Literatur

        • Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. Berlin 2014: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110339978.
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