Howell-Jolly-Körperchen Ursachen, Entstehung und Bilder

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 Howell-Jolly-Körperchen Entstehung, UrsachenHowell-Jolly-Körperchen sind Reste des Zellkerns in den normalerweise kernlosen Erythrozyten. In Blutausstrichen erscheinen sie als stark gefärbte runde Strukturen. Normalerweise werden sie in der Milz entfernt. Dementsprechend ist ihr Auftreten im Blutbild stets pathologisch und auf schwere Schädigungen oder das Fehlen der Milz zurückzuführen.

Howell-Jolly-Körperchen Entstehung, Ursachen

Was sind Howell-Jolly-Körperchen?

Benannt wurden die Howell-Jolly-Körperchen nach dem amerikanischen Physiologen William H. Howell und dem französischen Hämatologen Justin M. Jolly, welche die Strukturen in Erythrozyten 1890 und 1908 erstmals beschrieben.

Färbt man einen Blutausstrich in der meist üblichen panoptischen Färbung nach Pappenheim an, sind die roten Blutkörperchen zartrosa gefärbt, da sie den Farbstoff Eosin aufnehmen. Daher bezeichnet man sie als eosinophil (Eosin liebend) oder azidophil (saure Farbstoffe aufnehmend). Ein Zellkern fehlt den menschlichen Erythrozyten.

Die Zellkerne der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) sind hingegen basophil – sie färben sich bei der Pappenheim-Färbung in verschiedenen Blau- und Violetttönen, sodass sie von den zartrosa Erythrozyten leicht zu unterscheiden sind.

Bei den von Howell und Jolly identifizierten Strukturen handelt es sich um rundliche, randständige Einschlüsse, die einen Durchmesser von 0,5 – 2 µm haben und sich blau anfärben. Es handelt sich dabei um Reste der DNA des Zellkerns, die nicht wie normal vollständig beseitigt werden.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  1. Howell-Jolly-Körperchen sind rundliche Strukturen, die bei der Anfärbung eines Blutausstriches in den rosa gefärbten Erythrozyten blau erscheinen.
  2. Es handelt sich dabei um Reste des Zellkerns, die normalerweise in der Milz beseitigt werden.
  3. Ihr Auftreten ist immer pathologisch und auf Störungen der Milzfunktion zurückzuführen.
  4. Sie erscheinen auch nach operativer Entfernung der Milz. Fehlen sie trotz Splenektomie, deutet das auf das Vorhandensein einer Nebenmilz hin.
  5. Ebenso findet man sie nach traumatischen Verletzungen der Milz, Anämien und Leukämien .

Entstehung der Howell-Jolly-Körperchen

Im roten Knochenmark stoßen die Mutterzellen der Erythrozyten, die Erythroblasten, ihren Zellkern aus. Bleiben Bruchstücke des Kern übrig, runden die Verformungen des roten Blutkörperchens bei der Passage durch die Kapillarsysteme diese ab.

Normalerweise sorgt die Milz dafür, dass die Kernreste vollständig beseitigt werden. Das passiert während der ersten Passage der roten Blutkörperchen in der roten Pulpa der Milz.

Während die weiße Pulpa aus weißen Blutkörperchen gebildet wird, besteht die rote Pulpa des Organs aus großen Bluträumen, die von den Arteriolen der Milz befüllt werden. Von den venösen Sinusräumen sind sie durch eine Lage flacher Endothelzellen getrennt, wie sie alle Blutgefäße auskleiden.

Zwischen diesen Endothelzellen müssen sich alle Erythrozyten hindurchquetschen, um in das venöse System zu gelangen. Der Spalt ist so eng, dass überalterte, nicht mehr flexible roten Blutkörperchen beschädigt und abgebaut werden. Ebenso werden alle größeren Strukturen im Inneren herausgequetscht, so auch die Howell-Jolly-Körperchen. Nach der ersten Passage durch die Milz sind Erythrozyten frei von Kernstrukturen.

Ursachen Howell-Jolly-Körperchen

Howell-Jolly-Körperchen im Blutbild bedeuten immer, dass etwas nicht stimmt: Entweder ist die Milz geschädigt oder die Blutbildung ist schwer gestört.

Hyposplenie bei Neugeborenen

Völlig normal ist ihr Auftreten bei Neu- und Frühgeborenen. Nach der Geburt ist die Milz noch nicht vollständig entwickelt, was man als Hyposplenie bezeichnet. Mit zunehmender Reifung verschwinden die Howell-Jolly-Körperchen.

Splenektomie

Nach Unfällen kommt es mitunter zu einem Milzriss (Milzruptur). Das ist fatal, denn die schwammartige, blutreiche Milz blutet extrem. Oftmals ist die operative Entfernung der Milz (Splenektomie) der einzige Ausweg, um ein Verbluten zu verhindern. Andere Gründe für eine Splenektomie sind pathologische Milzvergrößerung (Hypersplenismus) und hämatologische Erkrankungen (Sichelzellanämie, Kugelzellanämie).

Nach dieser Operation finden sich immer Howell-Jolly-Körperchen im Blutausstrich. Fehlen sie wider Erwarten, liegt vermutlich eine Nebenmilz vor – eine Fehlentwicklung, die während der Embryonalphase auftritt. Dabei gelangt Milzgewebe in den Bauchraum und bildet meist nur wenige Zentimeter große Ableger im Bauchraum. Das ist gar nicht so selten – man findet eine Nebenmilz in 10-30 Prozent aller Autopsien.

Asplenie

Asplenie bezeichnet das Fehlen der Milzfunktion. Daher führt eine Splenektomie zu einer anatomischen Asplenie – Funktionsverlust durch Fehlen des Organs. Dagegen bedeutet funktionelle Asplenie, dass die Milz zwar vorhanden ist, das Organ aber nicht seinen Aufgaben nachkommt.

Häufigste Ursache für eine funktionelle Asplenie sind Anämien wie die Sichelzellanämie, Autoimmunerkrankungen und allergische Reaktionen nach einer Stammzelltransplantation.

Howell-Jolly-Körperchen bei vorhandener und funktionierender Milz

Selbst bei vorhandener und funktionstüchtiger Milz können die Einschlüsse auftreten. Das ist der Fall bei schweren Störungen der Blutbildungen wie Myelodysplasie, der megaloblastären Anämie, Erythrämie und Thalassaemia major.

Erythrozyten:

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  • Howell WH: The life-history of the formed elements of the blood, especially the red blood corpuscles. Journal of Morphology 1890; 4:57–116.
  • Jolly J (1908) Recherches sur la formation des globules rouges des mammifères, 58. Paris: Comptesrendus de la Société de Biologie 1908; 528–531.
  • Sears DA, Udden MM: Howell-Jolly bodies: a brief historical review.

    Am J Med Sci. 2012 May;343(5):407-9. doi: 10.1097/MAJ.0b013e31823020d1. Review.

  • Bain BJ: Howell-Jolly bodies in acute hemolytic anemia. Am J Hematol. 2017 May;92(5):473. doi: 10.1002/ajh.24624. Epub 2017 Feb 7.

  • Corazza GR, Ginaldi L, Zoli G, Frisoni M, Lalli G, Gasbarrini G, Quaglino D: Howell-Jolly body counting as a measure of splenic function. A reassessment.Clin Lab Haematol. 1990;12(3):269-75.

  • Lynch EC: Peripheral Blood Smear. In: Walker HK, Hall WD, Hurst JW, editors. Clinical Methods: The History, Physical, and Laboratory Examinations. 3rd edition. Boston: Butterworths; 1990. Chapter 155.

  • de Porto AP, Lammers AJ, Bennink RJ, ten Berge IJ, Speelman P, Hoekstra JB: Assessment of splenic function. Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2010 Dec;29(12):1465-73. doi: 10.1007/s10096-010-1049-1. Epub 2010 Sep 19. Review.