Erythrozyten Blutwert zu niedrig » ERY-Blutwert

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Erythrozyten zu niedrig

Wenn bei einer Blutbild Untersuchung festgestellt wird das die Anzahl der Erythrozyten zu niedrig ist, sehen Sie das am ERY-Wert im kleinen Blutbild. Dies nennt man Anämie. Es ist eine häufige Erkrankung, die manchmal ernährungsbedingt sein kann, aber auch aus schweren Erkrankungen heraus entstehen kann.

Es gibt eine breite Palette an Diagnostik, mit der die Art und Ursache einer Anämie differenziert werden kann.

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weiss = Leukozyten / Rote Blutkörperchen = Erythrozyten im Blut www.grossesblutbild.de

ERY-Blutwert – Das Wichtigste im Überblick

  1. Wenn Erythrozyten zu niedrig sind, nennt man das Anämie
  2. Wichtige Parameter in der Diagnostik der Anämie sind Größe und Hämoglobingehalt der Erythrozyten, Hämatokrit und Anzahl der Erythrozyten
  3. Häufige Gründe für eine Anämie sind Eisenmangel, chronische Blutungen oder Nierenerkrankungen
  4. Erkrankungen des Knochenmarks gehen neben einer Anämie meist auch mit Thrombozytopenie und Leukopenie einher
  5. Falsch-niedrige Hämoglobinwerte durch Verdünnungseffekte sollten unbedingt ausgeschlossen werden

 

Normwerte Erklärung Frauen Männer
Erythrozyten Erythrozyten Anzahl von 3,9 bis 5,3 Mio./ µl von 4,3 – 5,7 Mio./ µl
Was sind Erythrozyten?
Erythrozyten Wert
zu hoch
   
  Erythrozyten Wert
zu niedrig
   

 

Wenn die Erythrozyten zu niedrig sind, liegt eine Anämie vor.

Die absolute Anzahl der Erythrozyten ist aber nicht so aussagekräftig wie der Hämoglobinwert und der Hämatokrit.

Bei einem Hämoglobinwert von unter 13 g/dl bei Männern und unter 12 g/dl bei Frauen spricht man von einer Anämie. Ebenfalls eine wichtige Angabe ist der Hämatokrit, der mit dem Hämoglobinwert korreliert.

Er gibt das Verhältnis von Blutzellen (die zu 99% aus Erythrozyten bestehen) und Blutplasma an. Zusätzlich wird zur weiteren Einordnung der Anämie der Hämoglobingehalt und die Größe der Erythrozyten angegeben.

Der Hämoglobingehalt wird mit MCH für „mittlerer korpuskulärer Hb-Gehalt“ abgekürzt. Die Größe der Erythrozyten findet sich unter dem Kürzel MCV, was „mittleres korpuskuläres Volumen“ bedeutet. MCV und MCH korrelieren miteinander:

  • MCH und MCV zu niedrig: hypochrome, mikrozytäre Anämie
  • MCH und MCV normal: normochrome, normozytäre Anämie
  • MCH und MCV erhöht: hyperchrome, makrozytäre Anämie

Welche Beschwerden verursachen niedrige Erythrozyten?

Wenn die Erythrozyten zu niedrig sind, liegen im Blut zu wenige Sauerstoffträger vor. Es kann deshalb zu Schwäche und Luftnot bei Belastung kommen.

Zur Kompensation des Sauerstoffmangels wird die Herzfrequenz gesteigert, was zu einer Tachykardie führen kann. Außerdem sind anämische Patienten häufig blass, insbesondere eine Blässe der Schleimhäute kann auffallen.

Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwäche können ein weiteres Symptom sein. In der körperlichen Untersuchung kann ein Herzgeräusch auffallen, das jedoch in diesem Fall nicht organisch bedingt ist, sondern durch turbulente Strömungen bei verminderter Viskosität des Blutes entsteht. Weitere Beschwerden im Rahmen einer Anämie können durch die zugrunde liegende Erkrankung bedingt sein, die es durch die entsprechende Diagnostik herauszufinden gilt.

Erythrozyten zu niedrig durch Eisenmangel

Der häufigste Grund für eine Anämie ist Eisenmagel. Meistens sind Frauen betroffen, die durch Menstruation und Schwangerschaft einen Mehrbedarf an Eisen haben. Mangelhafte Zufuhr von Eisen ist insbesondere ein Problem in Entwicklungsländern oder bei kleinen Kindern und Vegetariern.

Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder nach Magenresektion kann eine mangelhafte Eisenresorption vorliegen. Das häufigste Problem ist ein übermäßiger Verlust von Eisen durch chronische Blutungen, bei Frauen oft durch Menstruation, insgesamt häufig durch Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt.

Es handelt sich meist um eine hypochrome, mikrozytäre Anämie. Behandelt wird ursächlich durch Substitution von Eisenpräparaten.

Megaloblastäre Anämien durch Mangel an Vitamin B12 und Folsäure

Eine Anämie mit vergrößerten Erythrozyten, also eine hyperchrome, makrozytäre Anämie, entsteht meistens durch einen Mangel an Vitamin B12, manchmal auch einen Mangel an Folsäure. Beides sind Stoffe, die für die DNA-Synthese gebraucht werden. Ein Mangel geht mit Störungen in der Blutbildung einher.

Ursächlich sind häufig streng vegetarische Kost oder gastrointestinale Erkrankungen, die die Resorption dieser essentiellen Stoffe stören. Auch manche Medikamente wie Protonenpumpeninhibitoren oder Metformin können ursächlich sein.

Ein schwerer Mangel an Vitamin B12 verursacht zusätzlich neurologische Symptome, weil Markscheiden der Pyramidenbahn und der Hinterstränge schwinden. Es kommt dann zu Gangunsicherheit, Lähmungen oder Zeichen der Polyneuropathie.

Hämolytische Anämien

Manchmal sind im Blut die Erythrozyten auch zu niedrig, weil sie durch eine verkürzte Lebensdauer verloren gehen. Es kommt dann zu einer Zerstörung der Erythrozyten innerhalb des Körpers.

Man nennt diese Form eine hämolytische Anämie. Die Gründe können verschieden sein. Es gibt angeborene Defekte der Erythrozyten mit Fehlern in Enzymen oder der Membran. Es gibt auch Autoimmunerkrankungen, die durch Antikörper zu einem Zerfall der Erythrozyten führen.

Auch manche Infektionskrankheiten wie Malaria können dies verursachen. Ebenfalls kommen mikroangiopathische Störungen wie das hämolytisch-urämische Syndrom vor. Bei Patienten mit künstlichen Herzklappen beispielsweise können die Erythrozyten auch mechanisch geschädigt werden. Hier liegt meistens eine normochrome, normozytäre Anämie vor.

Anämien bei Nierenkranken und Dialysepatienten

Eine typische Patientengruppe, die von Anämie betroffen ist, sind jene mit einer schweren Nierenerkrankung, insbesondere Dialysepatienten. Das für die Herstellung der Erythrozyten wichtige Hormon Erythropoetin wird in der Niere gebildet.

Wenn diese in ihrer Funktion eingeschränkt ist, lässt nicht nur ihre Filterfunktion nach, sondern auch die endokrine Funktion. Zusätzlich gibt es bei dieser Patientengruppe häufige Blutverluste, zum Beispiel durch Blutentnahmen. Auch über eine Dialysemaschine gehen jedes Jahr pro Patient etwa 2,5 Liter Blut verloren. Wenn die Erythrozyten zu niedrig sind, ist die Lebensqualität der Nierenpatienten eingeschränkt und ihre Mortalität erhöht. Deshalb wird Erythropoetin als medikamentöse Therapie ergänzt.

Selten, aber gefährlich: Anämie bei Knochenmarkserkrankungen

Wenn das Knochenmarkt versagt, weil das blutbildende System ausfällt, entsteht eine Panzytopenie. Man spricht in diesem Fall von einer aplastischen Anämie. Diese kann angeboren oder erworben sein, kommt aber selten vor. Beachtet werden sollte sie aber trotzdem: Unbehandelt ist die Letalität mit 70 Prozent sehr hoch.

Anämie bei chronischen Erkrankungen

Nach der Eisenmangelanämie ist die Anämie bei chronischen Erkrankungen die zweithäufigste Form. Es gibt viele chronische Erkrankungen, die mit einer Anämie einhergehen können. Dazu gehören Infektionen, Diabetes mellitus, Autoimmunerkrankungen und maligne Erkrankungen. Es ist jedoch eine Ausschlussdiagnose, die nur gestellt werden sollte, wenn sich keine andere Ursache gefunden hat. Die Behandlung der Grunderkrankung steht im Vordergrund.

Anämie bei älteren Patienten ist nicht normal!

Insbesondere bei älteren Patienten kommt eine Anämie sehr häufig vor. Das ist aber nicht „normal“, auch für alte Menschen gelten die üblichen Normbereiche. Zugrunde liegt meistens eine Kombination verschiedener Faktoren wie Mangelernährung, chronische Erkrankungen, Niereninsuffizienz und weiterer Ursachen. Dennoch ist auch bei älteren Patienten eine Anämieabklärung indiziert, invasive Maßnahmen sollten nach individueller Entscheidung durchgeführt werden.

Grundsatz: falsch-niedrige Werte ausschließen!

Manchmal fällt im Blutbild auf, dass die Erythrozyten zu niedrig sind, obwohl es nicht zum Krankheitsbild und den Symptomen passt.

Was im Zweifel immer ausgeschlossen werden sollte ist, dass durch Verdünnung ein falsch-niedriger Hämoglobinwert ermittelt wurde. Dies kann zum Beispiel vorkommen, wenn ein Patient vorher größere Mengen an Infusionen bekommen hat. Eine weitere mögliche Fehlerquelle ist die Blutabnahme am Infusionsarm, während eine Infusion läuft. Dies sollte daher unbedingt vermieden werden.

Quellen:
Harald Renz: Praktische Labordiagnostik, de Gruyter Verlag
Gerd Herold, Innere Medizin 2019