Dakryozyten – Aufbau und Ursachen

Dieser Artikel ist nach aktuellem wissenschaftlichen Stand, ärztlicher Fachliteratur und medizinischen Leitlinien verfasst und von Medizinern geprüft. → Quellen anschauen

Dakryozyten tränentrofenförmige ErythrozytenAls Dakryozyten bezeichnet man tränentropfenförmige Erythrozyten. Ein Dakryozyt (engl.: teardrop erythrocyte) besitzt die Form eine Birne oder Träne. Diese pathologische Sonderform entsteht bei der Blutbildung außerhalb des Knochenmarks und ist ein Hinweis auf Krankheiten des blutbildenden Systems wie Anämie, Myelofibrose oder Tumormetastasen im Knochenmark.

Tränentropfenform (TTF) des Erythrozyten
Dakryozyten, pathologische Erythrozytenform, Tränentropfenform (TTF) des Erythrozyten

Was sind Dakryozyten?

Der Begriff Dakryozyten leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet sinngemäß tränenförmige Zellen. Daher rührt auch die englische Bezeichnung tear drop cells. Dabei handelt es sich um rote Blutkörperchen, die eine veränderte Form aufweisen, sich aber sonst in einem Blutausstrich ganz normal anfärben lassen. Bei gesunden Personen trifft man diese Sonderform der Erythrozyten nicht an. Sie sind immer ein Zeichen für eine gestörte Erythropoese.

Das Wichtigste auf einen Blick

  1. Dakryozyten sind rote Blutkörperchen, die nicht scheibenförmig, sondern tränenförmig aussehen.
  2. Zu erkennen ist diese typische Form nur unter dem Mikroskop nach einer geeigneten Anfärbung des Blutausstriches.
  3. Die Sonderform der Erythrozyten gilt in der Hämatologie als Hinweis auf Erkrankungen des blutbildenden Systems.
  4. Sie treten auf, wenn die Hämatopoese durch Erkrankungen aus dem Knochenmark in Leber und Milz verdrängt wird.
  5. Wichtigste Ursachen für die Bildung von Dakryozyten sind Osteomyelofibrose, Anämien und Knochenmarkmetastasen.

Wie erkennt man Dakryozyten?

Tränenzellen kann man nur im mikroskopischen Bild als solche erkennen – Hämatologiegeräte sind nicht auf die Identifizierung der seltenen Erythrozytenform ausgelegt. Dazu muss man einen Blutausstrich von einem Patienten mit einer geeigneten Färbung (panoptische Färbung nach Pappenheim oder ähnliches) anfärben und mit dem Mikroskop untersuchen.

Sind normale Erythrozyten als rosarote Scheiben mit heller Mitte auszumachen, sehen diese deutlich anders aus. Auch sie haben in der Mitte eine Aufhellung, die durch eine beiderseitige Eindellung wie bei gesunden roten Blutkörperchen zustande kommt. Anders als diese sind sie tränen- oder tropfenförmig oder erinnern in ihrer Gestalt an eine Birne mit winzigem Stiel.

PoikilozytoseÄhnliche Form können rote Blutkörperchen auch vereinzelt bei einem nicht fachgerecht von Hand angefertigten Blutausstrich annehmen. Dann sind die tränenförmigen Zellen jedoch alle in der gleichen Ausrichtung orientiert – bei „echten“ Dakryozyten gibt es keine Vorzugsrichtung.

Woher kommen Dakryozyten?

Eine Häufung von Tränenzellen in einem Blutausstrich gilt als Hinweis auf eine Blutbildung außerhalb des Knochenmarks, eine extramedulläre Hämatopoese. Diese ist nur in der Zeit vor der Geburt normal, wo Leber und Milz in bestimmten Entwicklungsstadium von Embryo und Fötus die Produktion der Blutzellen übernehmen. Nach der Geburt ist sie ein Anzeichen für die Verdrängung der Hämatopoese aus der normalen Bildungsstätte im roten Knochenmark. Ursächlich hierfür sind myeloproliferative Erkrankungen, Schädigungen des Knochenmarks oder Knochenmarkmetastasen.

In diesen Fällen findet die Hämatopoese zusehend wie vor der Geburt in Leber und Milz statt. Man vermutet, dass in der Milz gebildete rote Blutkörperchen einen Teil ihrer Zellmembran verlieren, wenn sie sich im Trabekelnetzwerk des Organs durch das Endothel in die Blutbahn quetschen und so die charakteristische Form zustande kommt.

Bei welchen Erkrankungen treten Dakryozyten auf?

Die häufigste Ursache für das Erscheinen von Tränenzellen im Blut ist die Osteomyelofibrose (OMF; primäre Myelofibrose, PMF oder Osteomyeloskerose, OMS). Das Knochenmark wird zusehends durch Bindegewebe ersetzt (Fibrose) und die Blutbildung verlagert sich in andere Organe. Milz und Leber vergrößern sich (Hepatosplenomegalie).

Zu einer Osteomyelofibrose kommt es durch genetische Schäden an der Erbsubstanz oder durch die Schädigung des Knochenmarks durch ionisierende Strahlung wie Radioaktivität oder durch Vergiftungen. Zudem ist sie eine vielfach beobachtete Folge der Polyzythämie.

Ebenfalls lassen sich Dakryozyten häufig bei Knochenmarkmetastasen beobachten. Wächst an anderer Stelle im Körper ein Karzinom, sendet dieses Zellen aus, die irgendwo im Körper hängenbleiben und zu Metastasen heranwachsen. Eine solche Metastasierung kann auch das Knochenmark betreffen, vor allem bei Brustkrebs (Mammakarzinom), Lungenkrebs (Bronchialkarzinom) und Prostatakrebs (Prostatakarzinom).

Andere Ursachen für das Auftreten der Tränentropfenzellen sind verschiedene Formen der Blutarmut (Anämie) wie Thalassämie und perniziöse Anämie infolge Vitamin B12-Mangels.

Diagnose

Dakryozyten lassen sich nur im Blutausstrich nachweisen. Typischerweise treten sie bei einem leukoerythroblastischen Blutbild auf, wie es für eine extramedulläre Hämatopoese typisch ist. Neben Dakryozyten finden sich vermehrt die unreifen Vorgänger der Erythrozyten, die Retikulozyten, sowie unreife stabkernige Granulozyten – alles Anzeichen für eine überhastete und fehlerhafte Blutbildung.

Behandlung

Dakryozyten sind ein Symptom, keine Krankheit. Daher steht bei der Behandlung die Therapie der Erkrankung im Vordergrund, die zur Bildung von Dakryozyten geführt hat.

Erythrozyten:

Quellen, Links und weiterführende Literatur

    • Tränentropfenform (TTF) des Erythrozyten, MTA Dialog abgerufen↑
    • Lynch EC: Peripheral Blood Smear. In: Walker HK, Hall WD, Hurst JW, editors. Clinical Methods: The History, Physical, and Laboratory Examinations. 3rd edition. Boston: Butterworths; 1990. Chapter 155.
    • Robier C, Klescher D, Reicht G, Amouzadeh-Ghadikolai O, Quehenberger F, Neubauer M: Dacryocytes are a common morphologic feature of autoimmune and microangiopathic haemolytic anaemia. Clin Chem Lab Med. 2015 Jun;53(7):1073-6.
    • Axel M. Gressner, Torsten Arndt: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik. Band 1: Klinische Chemie. 3. Auflage. Stuttgart 2019: Springer-Verlag. ISBN-10: 3662489872.
    • Barbaraq J. Bain, Dieter Huhn, Andreas Kage: Roche Grundkurs hämatologische Morphologie. Stuttgart 1997: Thieme-Verlag. ISBN-10: 3131376511.