Herzinsuffizienz
Formen, Symptome, Diagnose und Behandlung
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Mit Herzinsuffizienz (Herzschwäche, Herzmuskelschwäche) bezeichnet man das pathologische Unvermögen des Herzens, die vom venösen Kreislauf angebotene Blutmenge vollständig aufzunehmen und in den arteriellen Kreislauf zu befördern. Durch die verminderte Durchblutung besteht die Gefahr eines Kreislaufversagens.
Dauernder Stress und andere Risikofaktoren sorgen dafür, dass auch das Herz so etwas wie ein Burnout-Syndrom bekommt und nicht mehr zuverlässig zu arbeiten vermag. Eine solche Leistungsschwäche bezeichnet man als Herzinsuffizienz.
Fachartikel Herzinsuffizienz | Herzinsuffizienz einfach erklärt
Definition
Unter normalen Umständen ist die Menge des vom Herzen gepumpten Blutes (Herzzeitvolumen) von zwei Faktoren abhängig: Der Menge des pro Herzschlag ausgeworfenen Blutes (Schlagvolumen) und der Schlagfrequenz. Mit 70 Millilitern und 70 Schlägen pumpt das Herz knapp fünf Liter Blut pro Minute in den Körperkreislauf. In Stresssituationen steigert eine erhöhte Schlagfrequenz das Herzzeitvolumen auf über 20 Liter pro Minute.
Eine Herzinsuffizienz macht sich bereits in Ruhe oder erst unter Belastung bemerkbar. Sie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern die Folge verschiedener Erkrankungen, die sich über Jahre entwickeln. Die beiden häufigsten Grunderkrankungen sind Bluthochdruck (Hypertonie) und koronare Herzkrankheit (KHK). Beide schwächen die Muskulatur des Herzens und vermindern zunehmend seine Pumpleistung. Beide Grunderkrankungen und damit auch die Herzinsuffizienz treten bevorzugt bei Männern und älteren Menschen auf. Man geht davon aus, dass etwa zehn Prozent aller über 70-Jährigen betroffen sind.
Die Herzinsuffizienz ist ein verbreitetes Leiden, dessen Inzidenz in den letzten Jahren ständig zunimmt. Dazu hat auch die steigende Lebenserwartung geführt.
Formen der Erkrankung
Einteilung nach Lokalisation. Je nachdem wo im Herzen die Ursache zu suchen ist lassen sich unterscheiden:
Rechtsherzinsuffizienz.
- Das Herz kann das ankommende Blut nicht schnell genug weiterpumpen. Das Blut staut sich im Körperkreislauf vor dem Herzen, der venöse Druck steigt. Wassereinlagerungen (Ödeme) in Beinen, Brust und Bauchraum sind die Folge.
Linksherzinsuffizienz.
- Hier bildet sich ein ähnlicher Rückstau im Lungenkreislauf. Das verursacht Atemnot (Dyspnoe) und niedrigen Blutdruck (Hypotonie).
Globalinsuffizienz
- betrifft beide Hauptkammern. Es treten Stauungen und Ödeme in allen Organen auf. Patienten sind schnell erschöpft und leiden bei der geringsten Anstrengung an Atemnot.
Einteilung nach Krankheitsverlauf
Die Herzinsuffizienz kann man in zwei Formen unterteilen, die sich in unterschiedlichen Ursachen und Symptomen bemerkbar machen.
Akute Herzinsuffizienz
- äußert sich in einer akuten Verminderung der Pumpleistung, sodass das Schlagvolumen drastisch reduziert wird. Sie entwickelt sich innerhalb von Tagen oder Stunden und führt zu einer Herzausweitung (Dilatation).
Chronische Herzinsuffizienz
- zeichnet sich durch kontinuierliche Abnahme der Pumpleistung über einen längeren Zeitraum aus. Das dauert Monate bis Jahre und hat eine Herzvergrößerung in Form einer Hypertrophie zur Folge. Besteht eine chronische Volumenbelastung in Folge einer Herzklappeninsuffizienz, geht diese mit einer Dilatation einher (exzentrische Hypertrophie). Besteht hingegen eine Druckbelastung durch Bluthochdruck oder Stenosen der Herzklappen, tritt eine Hypertrophie ohne Dilatation auf (konzentrische Hypertrophie).
Herzinsuffizienz – kurz und einfach erklärt:
Dr. Johannes Wimmer – Was ist eine Herzinsuffizienz? (TK Krankenkasse)
Ursachen
Bei Herzinsuffizienz reicht die Pumpleistung des Herzens nicht aus, um sich selbst und den Körper mit ausreichend Blut und damit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Dafür kommen zahlreiche Ursachen infrage:
- Schwäche der Herzkammern infolge koronarer Herzkrankheit (KHK), Herzinfarkt oder Herzwandaneurysma
- Bluthochdruck und resultierende hypertensive Herzerkrankung
- Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie)
- Blutarmut (Anämie)
- Myokarditis
- Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien)
- Kardiomyopathien infolge bakterieller Infektionen, Vergiftungen oder Autoimmunerkrankungen
- Kardiomyopathie infolge einer krankhaften Herzerweiterung (siehe Kompensationsmechanismen)
- angeborene Erkrankungen des Herzmuskelgewebes (Insuffizienz von Mitral- oder Aortenklappen, Septumdefekte in Vorhof oder Ventrikel)
- Erkrankungen des Herzbeutels (Perikards) wie Perikarditis oder Perikarderguss
Risikofaktoren
Da Hypertonie und koronare Herzkrankheit die beiden häufigsten Ursachen sind, gelten für eine Herzinsuffizienz die gleichen Risikofaktoren:
- Übergewicht (Adipositas) und Bewegungsmangel
- Bluthochdruck (Hypertonie)
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- erhöhte Blutfettwerte (Hypercholesterinämie, Hyperlipidämie)
- Nikotin- und Alkoholmissbrauch
Vorbeugung
Wie bei allen Herzkrankheiten ist Vorbeugung durch Verminderung der Risikofaktoren die beste Therapie.
- Abbau von Übergewicht
- leichte sportliche Aktivität
- Verzicht auf Nikotin und Alkohol
- Einstellung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten
Kompensationsmechanismen
Die Sicherstellung der Blutversorgung ist überlebenswichtig. Daher verfügt der menschliche Körper über verschiedene Sicherheitsprotokolle. Diese Kompensationsmechanismen sorgen für die Aufrechterhaltung des Herzminutenvolumens. Kurzfristig sind diese Mechanismen hilfreich. Bei chronischer Aktivierung tragen sie jedoch zur weiteren Progression der Herzinsuffizienz bei. Reichen die Kompensationsmechanismen nicht mehr aus und ist die Herzinsuffizienz zunehmend von Symptomen gekennzeichnet, spricht man von dekompensierter Herzinsuffizienz.
Herzhypertrophie.
- Akute Herzinsuffizienz führt zu Dilatation, chronische Herzinsuffizienz wie beschrieben zu Hypertrophie mit oder ohne Dilatation.
Aktivierung des Renin-Angiotehnsin-Aldosteron-Systems (RAAS)
- Das RAAS ist ein Regelkreis zur Einstellung des Blutdruckes. Durch eine verminderte Ausscheidung von Natriumionen und Wasser über die Nieren steigt das Blutvolumen. Eine gleichzeitige Verengung der Arterien sorgt für einen Anstieg des arteriellen Blutdrucks. Dadurch füllt sich das Herz vor der Kontraktion besser, das Schlagvolumen wird größer. Geschieht dies allerdings über einen längeren Zeitraum, dehnen sich die Herzkammern zusehends aus und die Herzklappen funktionieren immer schlechter.
Aktivierung des Symphatikus und Ausschüttung von Stresshormonen
- Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems führt zur vermehrten Ausschüttung von Katecholaminen aus der Nebenniere. Die beiden Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin erhöhen die Schlagfrequenz und damit die Pumpleistung. Unter Dauerstress funktionieren die Rezeptoren für die Stresshormone am Herzen zusehends schlechter, sodass die Pumpleistung wieder absinkt.
Symptome
Durch Herzinsuffizienz vermindert sich das für die Kontraktion verantwortliche Herzmuskelgewebe. Dies kommt durch gesteigerten Zelltod (myozytäre Apoptose) oder Größenwachstum der Zellen (myozytäre Hypertrophie) zustande.
- Ruhe- oder Belastungsdyspnoe. Luftnot bei körperlicher Belastung gilt als das Leitsymptom einer Herzinsuffizienz.
- Lungenödem. Im fortgeschrittenen Stadium ist der Lungenkreislauf überlastet. Blut aus dem linken Herzen staut sich bis in die Lunge, mit der Folge, dass sich Flüssigkeit im Lungengewebe ansammelt. Der Patient hat bereits in Ruhe und in Rückenlage ein starkes Beklemmungsgefühl.
Darüber hinausgehende Symptome sind bei Links- und Rechtsherzinsuffizienz teilweise unterschiedlich:
Linksherzinsuffizienz:
- Atemnot (Dyspnoe) und beschleunigte Atmung (Tachypnoe)
- Lungenödem
- Hustenanfälle
- Herzhusten, ein trockener Husten, der bevorzugt nachts auftritt
- Rasselgeräusche in der Lunge (Asthma cardiale)
- Schwitzen bei geringer Aktivität
- Müdigkeit, Erschöpfungszustände, Schwächezustände und Lethargie
- Herzklopfen
- Ödembildungen (Flüssigkeitsansammlungen in Beinen oder Bauch)
Rechtsherzinsuffizienz:
- Ödembildungen an Knöcheln und Unterschenkeln
- Ödembildungen an Hüfte und Gesäß
- Halsvenenstauung
- vermehrter nächtlicher Harndrang (Nykturie)
- Stauungsleber
- Wasseransammlungen im Bauchbereich (Aszites)
- Magenschleimhautentzündungen infolge Stauung der Magengefäße (Stauungsgastritis) und damit einhergehend
- Appetitlosigkeit, Übelkeit und Bauchschmerzen
- Verdauungsprobleme mit Völlegefühl, Verstopfungen und Blähungen
Globale Herzinsuffizienz:
Bei gleichzeitiger Insuffizienz beider Herzhälften können Symptome sowohl der Links- als auch der Rechtsherzinsuffizienz auftreten.
Den Schweregrad der Symptome unterteilt man nach den Empfehlungen der New York Heart Association (NYHA) folgendermaßen:
- NYHA I: Der Patient ist normal belastbar und weist keine körperlichen Einschränkungen auf.
- NYHA II: In Ruhe oder bei leichter Anstrengung ist die körperliche Leistungsfähigkeit noch nicht eingeschränkt.
- NYHA III: Beschwerden treten bereits bei leichten körperlichen Aktivitäten wie Sprechen und Essen auf.
- NYHA IV: Schwere Insuffizienz sowohl in Ruhe als auch bei allen körperlichen Aktivitäten.
Diagnose und Untersuchungsmethoden
Bei einer Herzinsuffizienz ist im Blutbild das natriuretische Peptid (Brain Natriuretic Peptide, BNP) erhöht, das der Herzmuskel unter Dehnungsbelastung freisetzt. Weitere wichtige Blutwerte sind Natrium, Kalium, Kreatinin und Glukose sowie die Leberenzyme.
Das Ausmass der Erkrankung kann der Arzt ohne Strahlenbelastung mit einer Ultraschalluntersuchung beurteilen. Bei der Echokardiographie lässt sich das Herz in bewegten Bildern bei seiner Tätigkeit beobachten. Insbesondere die Größe der Herzkammern, Pumpfunktion und Herzklappenaktivität kann man so schnell und einfach erfassen. Gegenfalls untersucht der Arzt auch die Herztätigkeit unter Belastung auf einem Fahrrad-Ergometer. Diese Untersuchung bezeichnet man als Belastungs-Echokardiographie.
Ebenfalls auf einem Fahrrad-Ergometer findet ein Belastungs-Elektrokardiogramm (Belastungs-EKG) statt. Dieses und ein Ruhe-EKG geben Auskunft über vorausgegangene Herzinfarkte, Herzrhythmusstörungen, koronare Herzkrankheit oder Entzündungen. Die meisten Informationen liefert ein Langzeit-EKG, bei dem man das Herz über 24 Stunden beobachtet.
Im Akutfall macht man eine Röntgenaufnahme des Brustkorbes. Hier lassen sich Stauungen in der Lunge, Flüssigkeitsansammlungen im Pleuraspalt zwischen Brustkorb und Lunge (Pleuraergüsse) und das vergrößerte Herz diagnostizieren.
Bei einer Herzkathederuntersuchung führt der Arzt einen Herzkatheder über die Leiste in das Herz ein und injiziert ein Kontrastmittel. Diese stellt im Röntgenbild die Gefäße dar, sodass sich Verengungen und Verschlüsse identifizieren lassen.
Verlauf
Der Verlauf einer Herzinsuffizienz hängt von Stadium der Erkrankung, individuellen Risikofaktoren und Vorerkrankungen ab. Im Stadium NYHA IV verstirbt unbehandelt jeder zweite Patient innerhalb eines Jahres. In den früheren Stadien verbessern rechtzeitige medikamentöse Therapie und Umstellung der Lebensumstände die Prognose ganz erheblich.
Behandlung
Ziel der Behandlung einer Herzinsuffizienz sind Stabilisierung und Verbesserung der gesundheitlichen Situation. Außerdem will man eine weitere Progression zugrunde liegender Erkrankungen verhindern.
Allgemeine Therapiemaßnahmen
Je nach Schweregrad der Herzinsuffizienz tragen folgende Maßnahmen zur Besserung des Befindens bei:
- Gewichtsreduktion auf Normalgewicht
- kochsalzarme Diät
- ausreichende Flüssigkeitszufuhr
- Sauerstoffgabe über Nasensonde, vor allem nachts und unterwegs
- nachts erhöhte Lagerung des Oberkörpers, um die Atmung zu erleichtern
- Vermeidung körperlicher Anstrengungen
- Verzicht auf Nikotin und Alkohol
Medikamentöse Therapie
Zur Behandlung der Herzinsuffizienz muss man Blutdruck und Blutvolumen herabsetzen. Das geschieht mit blutdrucksenkenden und wassertreibenden Medikamenten.
- ACE-Hemmer hemmen das Angiotensin Converting Enzyme, das den Blutdruck erhöht. Außerdem verstärken sie die Ausscheidung von Wasser und Natrium über die Nieren und verlängern die Wirkung des gefäßerweiternden Bradykinins. Dadurch senken sie sowohl Blutvolumen als auch Blutdruck. Zugleich sinkt das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Herzvergrößerungen und Herzrhythmusstörungen.
- Betablocker besetzen die Andockstellen für die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin an Herz und Gefäßen. Dadurch senken sie Herzfrequenz und Pumpwiderstand.
- Diuretika schwemmen Wasser und Natrium über die Nieren aus, verringern das Blutvolumen und beugen Ödembildungen vor.
- Digitalis-Präparate (Fingerhut) hat man früher häufig verwendet. Heute kommen sie nur noch ergänzend zu obigen Medikamenten zum Einsatz. Sie erhöhen das Herzzeitvolumen.
Operative Therapie
In einigen Fällen ist eine operative Therapie sinnvoll.
- Herzschrittmacher. Bei schweren Herzrhythmusstörungen kann ein Herzschrittmacher das Herz zum regelmäßigen Pumpen anregen. Ein eingebauter Defibrillator beseitigt mit einem kurzen Stromstoß schwere Arrhythmien und bringt das Herz wieder in Takt.
- Operative Wiederherstellung der Herzdurchblutung. Bei koronarer Herzkrankheit stellt man die Durchblutung durch Dehnung oder Überbrückung eines verengten Herzkranzgefäßes wieder her. Als Bypass setzt der Operateur ein Kunststoffröhrchen oder ein körpereigenes Gefäß (meist aus dem Bein) ein. Mit einem Stent wird ein verengtes Gefäß stabilisiert und ausgedehnt.
- Herztransplantation. Bei weit fortgeschrittener Schädigung des Herzens ist eine Herztransplantation oftmals die letzte Möglichkeit.
Literatur:
Erland Erdmann (Hrsg.) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Stuttgart: Springer-Verlag (2011). ISBN-10: 3642164803.