Herzklappenfehler – Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie
Herzklappenfehler: Welche gibt es, was kann man dagegen tun?
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Das Herz verfügt über vier Herzklappen, die als Ventile den Blutstrom in eine bestimmte Richtung lenken. Herzklappenfehler (Klappenvitien) bezeichnet angeborene oder erworbene Veränderungen einer Klappe, die zu Funktionseinschränkungen führen. In Abhängigkeit von betroffener Herzklappe sowie Art und Ausmaß der Schädigung treten unterschiedliche Symptome auf. Schwerwiegende Gesundheitsprobleme erfordern eine operative Korrektur oder den Ersatz der Herzklappe.
Herzklappenfehler verstehen: Wie funktionieren die Herzklappen?
Um nachvollziehen zu können, welche Folgen Herzklappenfehler nach sich ziehen, muss man sich den Blutfluss im Herzen und seine Regulation durch die Herzklappen näher ansehen. Das Herz ist ein Hohlmuskel aus zwei Vorkammern (Atrien) und zwei Hauptkammern (Ventrikeln).
Die Herzklappen sitzen zwischen Vor- und Hauptkammern sowie zwischen den Hauptkammern und den daraus entspringenden arteriellen Gefäßen, den Schlagadern. Das sauerstoffarme, kohlendioxidreiche Blut aus dem Körperkreislauf wird über untere und obere Hohlvene (Vena cava interior, V. cava superior) zum Herzen geleitet. Die beiden sind mit einen Durchmesser von rund zwei Zentimetern die größten Venen des Menschen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Venen weisen sie keine Venenklappen auf und sind relativ dünnwandig, da sie nur einen geringen Druck von 0-15 mmHg aushalten müssen. Die obere Hohlvene sammelt das Blut aus Kopf, Hals, Armen und Schultern, die untere aus der unteren Körperhälfte mit Beinen, Bauch und Becken. Die beiden Hohlvenen leiten das Blut in die rechte Vorkammer (Atrium dextrum).
Dieses pumpt es über die Tricuspidalklappe in die rechte Hauptkammer (Ventriculus dexter). Durch die Kontraktion des Herzens wird das Blut durch die Pulmonalklappe in Lungenarterie (Lungenschlagader, Arteria pulmonalis, Truncus pulmonalis) und Lungenkreislauf befördert.
In der Lunge findet der Gasaustausch statt: Kohlendioxid wird abgegeben, frischer Sauerstoff durch Hämoglobin in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) gebunden. Über die Lungenvene (Vena pulmonalis) gelangt das Blut in die linke Vorkammer (Atrium sinistrum) und über die Mitralklappe in die linke Hauptkammer (Ventriculus sinister). Diese pumpt das Blut über Aortenklappe und Hauptschlagader (Aorta) zurück in den Körperkreislauf. In der Aorta erreicht der Blutdruck bei der Kontraktion (Systole) eine Höhe von 120 mmHg. Technisch gesehen agieren die Hauptkammern als Druck-Saug-Pumpe mit den Herzklappen als Ventilen.
Die Erweiterung (Dilatation) während der Diastole saugt Blut durch die sich öffnende Klappe aus dem hinteren Teil an. Die vordere Klappe schließt sich, weil der Druck im hinter ihr liegenden System höher ist. Bei der Systole schließt sich die hintere Klappe durch den sich erhöhenden Druck, wogegen die davor liegende Klappe aufgeht und das Blut durchlässt. Die Herzklappen geben somit die Fließrichtung des Blutes vor.
Herzklappenfehler verstehen: Bau und Funktionsweise der Herzklappen
Alle Herzklappen liegen auf gleicher Höhe in der Ventilebene des Herzskeletts. Nach ihrer Struktur kann man zwei Formen unterscheiden:
- Segelklappen (Atrioventrikularklappen, Valvae atrioventriculares): Die Klappen zwischen Vor- und Hauptkammern sind segelförmig und ähneln flachen Sehnen. Auf der Ventrikelseite werden sie von dünnen Sehnenfäden (Chordae tendineae) gehalten, die in warzenartigen Muskelausläufern der Hauptkammer enden, den Papillarmuskeln (Musculi papillares). Sie sind relativ dünn, da sie nur unter geringen Druckunterschieden arbeiten. In Fließrichtung werden sie an die Wand gedrückt. Rückfluss schließt sie zusammen, wobei Papillarmuskeln und Sehnenfäden sie wie ein Segel festhalten und ein Durchschlagen verhindern.
- Tricuspidalklappe: rechte Vorhofklappe, Valva tricuspidalis, Valva atrioventricularis dextra – Segelklappe aus drei Segeln (tri und cuspes für griechisch drei und Segel).
- Mitralklappe: linke Vorhofklappe, Valva bicuspidalis, Valva atrioventricularis sinistra – Segelklappe aus zwei Segeln (bi für griechisch zwei, Form wie die Mitra des Papstes)
- Taschenklappen (Semilunarklappen, Valvae semilunares): Die Klappen zwischen Hauptkammern und Schlagadern widerstehen wesentlich höheren Druckdifferenzen und erscheinen wesentlich stabiler. Sie bestehen jeweils aus drei halbmondförmigen Strukturen, die an Schwalbennester erinnern und ähnlich gebaut sind wie Venenklappen. Fließt das Blut in der vorgegebenen Richtung, werden die Taschen an die Wand gedrückt und stehen offen. Bei Rückfluss drückt das Blut die Taschen wie kleine Fallschirme auf, sie lagern sich aneinander und verschließen die Öffnung.
- Pulmonalklappe: Pulmonalisklappe, Valva trunci pulmonalis
- Aortenklappe: Valva aortae. Die Aortenklappe muss von allen Herzklappen den größten Druckunterschieden standhalten und ist daher am größten und dicksten.
Herzklappenfehler: Definition, Formen, Häufigkeit
Herzklappenfehler (Klappenvitien) bezeichnet angeborene oder erworbene Funktionsstörungen einer oder mehrerer Klappen. Am häufigsten betroffen sind Aortenklappe und Mitralklappe, die sich in der linken Herzhälfte den höchsten Druckunterschieden entgegenstellen. Man kann die Herzklappenfehler nach dem Zeitpunkt des Erwerbs unterteilen in
- Angeborene Herzklappenfehler. Jedes hundertste Neugeborene kommt bereits mit einem Herzklappenfehler auf die Welt. Mit zunehmendem Alter führen diese zu immer größeren gesundheitlichen Problemen.
- Erworbene Herzklappenfehler. Diese treten erst in fortgeschrittenerem Alter auf und sind die Folge altersbedingter Verschleißerscheinungen, Herz- und Gefäßkrankheiten oder Infektionen.
Nach der Ausprägung kann man unterscheiden
- Verengungen mit mangelnder Öffnungsfähigkeit (Stenosen) – durch die nicht vollständig geöffnete Klappe muss das Herz gegen einen höheren Widerstand anpumpen, es kommt zu einer Erweiterung (Dilatation) und Verdickung.
- Undichtigkeiten infolge mangelnder Schließfähigkeit (Insuffizienzen) – ein Teil des Blutes fließt durch das undichte Ventil wieder zurück. Dadurch muss das Herz vermehrt arbeiten, was auf Dauer zu einer Hypertrophie der betroffenen Herzkammer führt.
- Kombinationen aus Stenose und Insuffizienz (kombinierte Klappenvitien).
Herzklappenfehler: Ursachen und Risiken
- Angeborene Herzklappenfehler (10 %):
- Zu den häufigsten gehört die Pulmonalstenose im Rahmen einer Fallotschen Tetralogie.
- Aortenklappen-Stenosen gibt es in einer angeborenen und einer erworbenen Form. Bei beiden muss die linke Herzkammer den hohen Druck in der Aorta überwinden und wird überlastet. Das Resultat ist eine Linksherzinsuffizienz.
- Erworbene Herzklappenfehler (90 %):
- Am häufigsten ist hier die Aortenklappen-Stenose infolge fortschreitender Atherosklerose als dritthäufigste Herz-Gefäßkrankheit überhaupt.
- In der Häufigkeit folgt gleich danach die Mitralklappen-Stenose. Auch hier wird die Klappe durch Verkalkung unflexibel. Der Vorhof muss einen höheren Druck aufbauen, um die Stenose zu überwinden, wird dadurch geweitet und verdickt sich. Der resultierende Blutstau setzt sich bis in den Lungenkreislauf fort, in dem sich die Sauerstoffaufnahme verschlechtert und Wasser eingelagert wird. Schlimmstenfalls kommt es zu Thrombenbildung und Vorhofflimmern.
- Bei einem Mitralklappenprolaps ragen die Segel in die Vorkammer hinein.
- Bereits im jugendlichen Alter treten Herzklappenfehler infolge einer rheumatischen Endokarditis auf, einer Autoimmunerkrankung nach Streptokokken-Infektion.
- Eine weitere Immunerkrankung, der systemische Lupus erythematodes, greift ebenfalls die Herzklappen an.
- Auch die bakterielle Endokarditis infolge einer bakteriellen Infektion der Herzklappen führt zu Funktionseinschränkungen.
- Herzinfarkte können die Funktion der Herzklappen einschränken und Herzklappeninsuffizienz verursachen.
Herzklappenfehler: Symptome
Geringfügige Herzklappenfehler sind praktisch beschwerdefrei. Selbst größere Fehlfunktionen können in gewissem Maße vom Herzen durch erhöhte Pumpleistung kompensiert werden. Über längere Zeit führen diese Mechanismen jedoch zu einer Überlastung und nachfolgender Herzinsuffizienz. Akut auftretende Herzklappenfehler können im Rahmen des rheumatischen Fiebers infolge einer rheumatischen Endokarditis oder bei einer bakteriellen Endokarditis auftreten. Sowohl Stenosen als auch Insuffizienzen führen zu ähnlichen Symptomen, als da wären
- schnelle Ermüdung bei geringer körperlicher Belastung
- Atemnot (Dyspnoe) und beschleunigte Atmung (Tachypnoe)
- schneller Pulsanstieg bei Anstrengungen
- Druck, Engegefühl und Schmerzen in der Brust
- Ohnmachtsanfälle
- Bei fortgeschrittener Erkrankung entstehen
Der Schweregrad hängt von Lokalisation und Umfang der Schädigung ab. Eine entsprechende Unterteilung erfolgt zumeist gemäß den Empfehlungen der New York Heart Association (NYHA):
- NYHA I: Normale Belastbarkeit, keine körperlichen Einschränkungen.
- NYHA II: In Ruhe oder bei leichter Anstrengung ist die Leistungsfähigkeit nicht eingeschränkt.
- NYHA III: Beschwerden treten bereits bei leichten Aktivitäten wie Sprechen und Essen auf.
- NYHA IV: Schwere Insuffizienz sowohl in Ruhe als auch bei allen körperlichen Aktivitäten.
Herzklappenfehler: Verlauf
Leichte Beschwerden wie Atemnot bei geringer körperlicher Belastung werden oft nicht als Zeichen für eine Herzklappeninsuffizienz erkannt. Zudem verstärken sich die Symptome nur langsam und über Jahre, ohne akut zu werden. Bleibt eine Behandlung aus, ergeben sich langfristig irreparable Schädigungen des Herzmuskels. Bisweilen tritt nach vielen beschwerdefreien Jahren eine plötzliche Verschlechterung ein. Damit verschlechtert sich die weitere Prognose deutlich. Thrombosen, Embolien, Herzrhythmusstörungen (Bradykarde Herzrhythmusstörungen) verursachen schnell lebensbedrohliche Zustände.
Diagnose von Herzklappenfehler ( Untersuchungsmethoden )
Da viele geringfügige Herzklappenfehler wenig Symptome aufweisen, werden diese meist zufällig bei der Diagnose anderer Krankheiten entdeckt. Die Untersuchung umfasst die Auskultation der Herzgeräusche mit einem Stethoskop. Die Herzgeräusche kommen durch die Tätigkeit der Herzklappen zustande und verändern sich mit deren Leistungsfähigkeit. Stethoskopisch kann bereits die in Mitleidenschaft gezogene Klappe erkannt werden.
Als Goldstandard der kardiologischen Untersuchung von Herzklappenfehlern gilt die Ultraschalluntersuchung des Herzens (Kardio-Sonografie). Diese kommt ohne schädliche Strahlung aus und liefert bewegte Schnittaufnahmen, anhand derer der Untersuchende die Herztätigkeit und die Funktion der Klappen am Monitor verfolgen kann. Über Lage und Schwere des Herzklappenfehlers geben die Ableitungen eines Elektrokardiogramms (EKG) und Belastungs-EKGs Auskunft. Bildgebende Verfahren wie Röntgen-Thorax, Computertomographie (Kardio-CT) und Kernspintomographie (Kardio-MRT) dienen der genaueren Feststellungen anatomischer Veränderungen, Thrombenbildungen oder Wasseransammlungen.
Herzklappenfehler: Behandlung
Leichte Herzklappenfehler verursachen keinerlei Symptome und bedürfen keiner Therapie. Dagegen müssen schwerwiegende Herzklappenfehler meist operativ behandelt werden, da eine medikamentöse Behandlung nicht möglich ist. Arzneimittel verschaffen bestenfalls eine kurzfristige Linderung, verhindern Begleiterscheinungen wie Arrhythmien oder minimieren wie Antibiotika die Risiken weiterer Komplikationen.
Wo dies machbar erscheint, versucht man eine chirurgische Korrektur vorzunehmen (Klappenrekonstruktion). Bei einer Stenose kann man die betroffene Klappe gegebenenfalls durch eine Ballondilatation über einen Herzkatheder weiten. Häufiger muss die geschädigte Klappe chirurgisch entfernt und durch künstliche Endoprothesen oder biologische Transplantate ersetzt werden. In jedem Fall ist das Ziel der chirurgischen Maßnahme die Vermeidung einer weitergehenden Schädigung der Herzfunktionalität. Leichte Folgeerscheinungen wie eine geringfügige Hypertropie der Herzwand können sich bei rechtzeitiger Behandlung zurückbilden. Das ist allerdings nur bis zu einem gewissen Grad möglich. In Deutschland finden jährlich rund 30.000 Herzklappenoperationen statt.
Neben einer offenen Operation werden in zunehmendem Maße künstliche Herzklappen über einen Herzkatheder eingebracht. Gerade bei Patienten in höherem Lebensalter oder mit nicht zufriedenstellendem Allgemeinzustand minimiert dieses Verfahren die Operationsrisiken deutlich. Patienten mit einer künstlichen Herzklappe müssen lebenslang gerinnungshemmende Medikamente (Antikoagulantien) einnehmen, um Thrombosen und Embolien vorzubeugen.
Bei einer Transplantation muss die Abstoßungsreaktion durch die lebenslange Gabe von Immunsuppressiva verhindert werden. Wichtig bei solchen Operationen ist die Beachtung einer Endokarditis-Prophylaxe mit Antibiotika. Die vorgeschädigten Klappen sind anfällig für eine bakterielle Endokarditis und bei der Operation können Keime in die Blutbahn gelangen. Gleiches gilt für alle anderen operativen Maßnahmen mit der Gefahr einer Verschleppung von Bakterien, selbst einfache professionelle Zahnreinigungen oder Zahnextraktionen sowie Untersuchungen mit einem Gefäßkatheder.
Nach einer Operation dauert die Erholung Monate oder sogar Jahre je nach vorhergehendem Zustand der Herzmuskulatur. Während dieser Zeit empfiehlt sich eine leichte sportliche Betätigung mit geringer Ausdauerbelastung.
Literatur
- Gerd Herold: Innere Medizin. Köln: G. Herold Verlag (2019). ISBN-10: 3981466063
- Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart: Springer-Verlag (2012). ISBN-10: 3642331076.
- Erland Erdmann (Hrsg.) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Stuttgart: Springer-Verlag (2011). ISBN-10: 3642164803.