Fallotsche Tetralogie – Herzfehler beim Kind

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Die Fallotsche Tetralogie: Ursachen, Symptome und Behandlung

Eines von hundert Kindern kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Die häufigste Form ist die Fallotsche Tetralogie (Fallot-Tetralogie), die durch fehlerhafte Herzentwicklung gleich vier Fehlbildungen nach sich zieht. Die Erkrankung führt zu einer Sauerstoffminderversorgung, die lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Unbehandelt ist die Lebenserwartung stark eingeschränkt. Eine dauerhafte Therapie ist nur durch operative Korrektur der Herzfehler möglich. Diese sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Operation können die kleinen Patienten meist völlig normal und beschwerdefrei weiterleben.

Baby beim Arzt
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Fallotsche Tetralogie: Definition

Die Fallotsche Tetralogie (Fallot-Tetralogie, Morbus Fallot, Tetralogy of Fallot TOF) wurde nach ihrem Entdecker, dem französischen Arzt Étienne-Louis Arthur Fallot benannt. Er beschrieb 1888 erstmalig die anatomischen Hintergründe der maladie bleue. Blaue Krankheit oder Blausucht bezeichnet das Leitsymptom der Fallotschen Tetralogie, die bläuliche Hautverfärbung (Zyanose) infolge verringerter Sauerstoffzufuhr. Diese Minderversorgung beruht auf einer Durchmischung venösen und arteriellen Blutes, durch die der Körperkreislauf zu wenig Sauerstoff erhält.

 

Ursache ist eine fehlgesteuerte Herzentwicklung. Bis zur fünften Woche der Embryonalentwicklung führt eine einzige Arterie aus dem Herzen heraus. Später teilt sich diese durch eine Scheidewand, das sogenannte Septum aortopulmonale, in Hauptschlagader (Aorta) und Lungenschlagader (Arteria pulmonalis, Truncus pulmonalis). Bei der Fallot-Tetralogie bildet sich diese Trennwand zu weit vorne und zu weit rechts (ventral-lateral). Durch diese Verlagerung ergeben sich die vier typischen anatomischen Fehlbildungen der Fallot-Tetralogie:

 

  1. Reitende (überreitende) Aorta – die Hauptschlagader, die normalerweise aus dem linken Ventrikel entspringt, sitzt durch die Verschiebung mit einem Stück der Aortenklappe teilweise auf der rechten Hauptkammer. Sie „reitet“ auf der Herzscheidewand.
  2. Ventrikelseptumdefekt (VSD), das heißt Loch am oberen Rand der Scheidewand zwischen beiden Hauptkammern durch fehlenden Gefäßanschluss an das Ventrikelseptum. Diese Öffnung verursacht zusammen mit der reitende Aorta die Durchmischung des sauerstoffarmen Blutes aus dem Körperkreislauf mit dem sauerstoffreichen aus dem Lungenkreislauf (Rechts-Links-Shunt).
  3. Pulmonalstenose, eine Verengung des abgehenden Truncus pulmonalis zur Lunge hin. Dadurch ist der Blutfluss in Richtung Lungenkreislauf behindert. Sie ergibt sich durch
    • eine Verdickung des Myokards unterhalb der Pulmonalklappe (subvalvulär),
    • durch eine zu enge Pulmonalklappe (valvulär) oder
    • eine zu enge Lungenarterie (supravalvulär).
  4. Myokard-Hypertrophie des rechten Ventrikels, eine Verdickung des Herzmuskels infolge der erhöhten Pumpbelastung.
  5. In den seltenen Fällen der sogenannten Fallotschen Pentalogie kommt ein Atriumseptumsdefekt (ASD, Foramen ovale) hinzu.

 

Fallotsche Tetralogie: Ursachen und Risikofaktoren

Die Fallotsche Tetralogie tritt bei Neugeborenen mit einer Inzidenz von 1:3.600 auf. Mit 7-10% gehört sie zu den häufigsten angeborenen Herzfehlern. Zudem stellt sie mit 70 % den Hauptanteil zyanotischer Herzfehler mit Blausucht. Aus ungeklärten Gründen sind Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen.

Die Ursachen der Fallot-Tetralogie sind nicht bekannt, aber es werden genetische Faktoren als Auslöser vermutet. So findet man sie bei verschiedenen erblichen Krankheitskomplexen. Dazu gehören das Down-Syndrom (Trisomie des Chromosoms 21) und das DiGeorge-Syndrom (fehlender Chromosomenabschnitt 22q11).

Diskutiert werden auch Infektionen während der Schwangerschaft (Röteln, Zytomegalievirus), Medikamente und Alkoholmissbrauch.

 

Fallotsche Tetralogie: Formen und Symptome

Eine einfache Fallotsche Tetralogie äußert sich uneinheitlich mit von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägten Symptomen. Ausmaß und genaue Lokalisierung von Pulmonalstenose und reitender Aorta sind variabel. Gleiches gilt für die Größe des Ventrikelseptumdefektes und/oder Stärke der hypertrophen Wandverdickung der rechten Herzkammer.

Dementsprechend unterschiedlich fällt die Sauerstoffversorgung aus, von einer symptomatisch unauffälligen, minderen Beeinträchtigung bis zu akut lebensbedrohlichen Zuständen. Der Schweregrad hängt in erster Linie von der Verengung des Zuflusses in den Lungenkreislauf ab. Eine komplexe Fallotsche Tetralogie äußert sich in zwei möglichen Extremfällen:

  • Bei der Pulmonalklappenatresie ist die Klappe zur Lungenschlagader nicht verengt, sondern komplett verschlossen.
  • Beim Double Outlet Right Ventricle (DORV) sitzt die Aorta fast vollständig auf dem rechten statt dem linken Ventrikel.

Anzeichen für eine Fallotsche Tetralogie sind

  • das Einnehmen einer hockenden Stellung mit Knien an die Brust, was die Sauerstoffzufuhr erleichtert
  • die bläuliche Verfärbung (Zyanose) von Lippen, Zunge, Haut sowie Finger und Zehen – gut zu erkennen unter den Nägeln
  • eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit
  • geringe Gewichtszunahme
  • Atemnot (Dyspnoe) beim Füttern
  • gegebenenfalls eine beschleunigte Atmung (Tachypnoe).
  • Bei sehr langer Vorerkrankung treten verdickte Fingerkuppen (Trommelschlegelfinger) und gewölbte Nägel (Uhrglasnägel) an Händen und Zehen auf. Diese sind heutzutage nur noch selten anzutreffen.

 

Die Zyanose gilt als Leitsymptom der Fallot-Tetralogie. Sie entsteht durch unterschiedliche Farben sauerstoffarmen und sauerstoffreichen Blutes. Mit Sauerstoff beladen sieht der rote Blutfarbstoff Hämoglobin „blutrot“ aus, ohne Sauerstoff geht die Farbe in purpur bis bläulich über. Aus dem gleichen Grund erscheinen Venen unter der Haut blau, Lippen und andere Schleimhäute hingegen rot.

Die Fallotsche Tetralogie äußert sich im Extremfall in einer Bewusstlosigkeit infolge Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff (hypoxämischer Anfall). Diese Anfälle ereignen sich vor allem zwischen dem zweiten und sechsten Monat auf und führen zu

  • Unruhe
  • Weinanfällen
  • Schwitzen
  • extremer Blässe
  • Bewusstlosigkeit.

Ein hypoxämischer Anfall tritt plötzlich auf und hält bis zu fünfzehn Minuten an. Während dieser Zeit sind keine Herztöne feststellbar. Ursache sind krampfartige Verengungen im Eintritt in den Lungenkreislauf, die die Sauerstoffzufuhr zusätzlich behindern. Die genaue Ursache ist unbekannt.

Hypoxämische Anfälle sind lebensbedrohend und müssen umgehend notfallmedizinisch behandelt werden. Das Kind muss in die Hockstellung gebracht und beruhigt werden. Der Notruf 112 ist sofort zu verständigen!

 

Fallotsche Tetralogie: Verlauf

Eine Fallotsche Tetralogie verläuft je nach Schweregrad der Fehlbildungen. Sind diese geringfügig, ist die Symptomatik unauffällig. Die kennzeichnende Zyanose tritt in diesen Fällen nicht auf. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Fallotsche Tetralogie übersehen wird und keine rechtzeitige Behandlung stattfindet. Ältere Kinder mit unbemerkter Erkrankung leiden unter unvermittelter Atemnot und können ohnmächtig werden.

Am gefährlichsten sind bei schwerwiegenderen Defekten die hypoxischen Anfälle, die schnell lebensbedrohlich verlaufen.

 

Fallotsche Tetralogie: Diagnose und Untersuchungsmethoden

Bisweilen fällt eine Fallotsche Tetralogie bereits im Mutterleib bei einer Ultraschalluntersuchung (Sonografie) im Rahmen der Pränataldiagnostik auf. Meistens wird sie aber erst nach der Geburt erkannt. Die Erkrankung macht sich bei Neugeborenen durch das Leitsymptom Zyanose bemerkbar, die sich bei geringen körperlichen Anstrengungen wie Schreien oder Stuhlgang verstärkt.

Bei der körperlichen Untersuchung mit dem Stethoskop ist ein heftiges systolisches Herzgeräusch (bei der Kontraktion) infolge der Pulmonalstenose auffällig. Des weiteren kontrolliert der Arzt Puls, Blutdruck, Temperatur und Atemfrequenz. Die Sauerstoffsättigung des Blutes misst er mit einem kleinen Gerät (Pulsoximeter), das an den Finger angeklemmt wird (transkutane Messung der Sauerstoffsättigung).

Die Herzströme lassen sich mit einem Elektrokardiogramm (EKG) überprüfen. Im Labor werden Blut und Urin untersucht.

Eine endgültige Klärung erfolgt mittels einer Ultraschalluntersuchung des Herzens (Kardiosonographie), bei der Herz- und Klappentätigkeit und veränderte anatomische Bedingungen in bewegten Bildern dargestellt werden. Diese Untersuchung ist schmerzfrei und risikolos, da sie ohne Strahlung auskommt. Gegebenenfalls wird eine Röntgen- oder kernspintomographische Untersuchung (Kardio-MRT) durchgeführt.

 

Fallotsche Tetralogie: Behandlung

Unbehandelt liegt die Lebenserwartung eines Patienten mit Fallot-Tetralogie bei durchschnittlich zwölf Jahren. Die Hälfte der nicht operierten Kinder verstirbt in den ersten drei Lebensjahren.

Die erste erfolgreiche palliativ-chirurgische Maßnahme war 1944 der Blalock-Taussig-Shunt, bei dem die Abzweigung der Aorta in den Arm aufgeschnitten und in die Arteria pulmonalis verlegt wurde. Heute stellt man diese Umleitung mittels einer künstlichen Gefäßprothese her. Dadurch wird die Durchblutung der Lunge verbessert, sodass der Körper mehr Sauerstoff erhält. Zugleich sorgt die gesteigerte Durchblutung für eine Aufweitung der verengten Arteria pulmonalis. Das erleichtert eine nachfolgende korrektive Operation. Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, dass das Herz nicht angehalten werden muss.

Eine vorübergehende Verbesserung der pulmonalen Blutversorgung ist durch eine Ballondilatation der Pulmonalstenose über einen Herzkatheder möglich.

Eine dauerhafte Lösung erfordert eine, bisweilen mehrere Operationen am offenen Herzen. Vor allem nach einem hypoxischen Anfall ist ein chirurgischer Eingriff dringend indiziert, um weitere zu verhindern. Die Fallotsche Tetralogie war 1954 der erste Herzfehler, der operativ korrigiert werden konnte.

Die kleinen Patienten kommen um einen chirurgischen Eingriff nicht herum, wenn lebensbedrohliche Spätfolgen vermieden werden sollen. Vorzugsweise operiert man innerhalb des ersten Lebensjahres, wenn das Kind gesundheitlich stabil ist. Das Ziel operativer Maßnahmen ist die Korrektur der Anomalien, vor allem

  • die Beseitigung des Ventrikelseptumdefektes und
  • die Verbesserung des Blutflusses in die Lungenschlagader.

 

Die chirurgischen Maßnahmen erfordern eine gründliche Kenntnis der im konkreten Fall vorliegenden anatomischen Verhältnisse. Daher finden im Vorfeld Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren und Herzkatheder statt. Zur Verhinderung einer bakteriellen Endokarditis sind prophylaktische Antibiotikagaben im Vorfeld und nach dem Eingriff angeraten.

Da für die Operation der Brustkorb eröffnet wird, muss diese in einer Herz-Lungen-Maschine stattfinden. Diese verhindert ein Kollabieren der Lunge, übernimmt die Atemfunktion und pumpt das Blut durch den Kreislauf, da für den Eingriff das Herz angehalten werden muss.

 

Der eigentliche chirurgische Eingriff verläuft etwa folgendermaßen:

  1. Der Chirurg eröffnet das Herz knapp unterhalb der Pulmonalklappe mit einem Schnitt.
  2. Die Klappe wird mit einer Erweiterungsplastik, die von der Herzkammer bis in die Lungenarterie reicht, gedehnt (transannuläre Patcherweiterungsplastik).
  3. Zusätzlich wird das verdickte Gewebe unterhalb der Klappe ausgedünnt (Myektomie). Beide Maßnahmen verbessern den Blutfluss.
  4. Den Scheidewanddefekt verschließt der Operateur mit einem künstlichen Implantat (Patch). Hierdurch wird eine weitere Durchmischung sauerstoffarmen und sauerstoffreichen Blutes verhindert.
  5. In einigen Fällen ist das Einsetzen eines künstlichen Pulmonalklappenersatzes oder der Ersatz eines Teils der Lungenschlagader durch eine Gefäßplastik nötig.
  6. Danach wird die OP-Wunde mit einer Naht verschlossen und der Brustkorb zugenäht.

Ungeachtet der erheblichen Fortschritte der letzten Jahre liegt die Sterblichkeit während einer korrektiven Operation immer noch bei rund 5 %. Bei den ersten medizinischen Eingriffen lag die Zehnjahres-Überlebensrate noch bei knapp 50 %. Heutzutage sind die langfristigen Aussichten nach chirurgischer Korrektur wesentlich besser. Die Lebenserwartung eines erfolgreich behandelten Patienten unterscheidet sich im günstigsten Falle nicht von der eines Gesunden.

In sehr seltenen Fällen kommt es zum spät-postoperativen plötzlichen Herztod durch akut auftretende Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien). In milderen Fällen mit beschleunigtem Herzschlag (Tachykardie) kann dieser medikamentös eingestellt werden. Nach der Operation treten bisweilen Infektionen der Wunden oder der oberen Atemwege auf, auf die man besonders achten sollte.

Normalerweise sind die Patienten nach wenigen Tagen beschwerdefrei. Es verbleibt lediglich eine Narbe in der Mitte der Brust, die in diesem Alter gut abheilt, sodass sie kaum noch auffällt. Die Kinder führen ein praktisch normales Leben. Trotzdem sollte ein Kinderkardiologe in regelmäßigen zeitlichen Abständen Kontrolluntersuchungen durchführen.

 

 

Literatur und Quellen

  1. Jürgen Apitz (Hrsg.): Pädiatrische Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. 2. Auflage. Darmstadt: Steinkopff Verlag (2002). ISBN-10: 3798513228
  2. Kostolny M., Mazzitelli D., Lange R.: Chirurgische Therapie der Fallotschen Tetralogie/Pulmonalatresie mit VSD. In: Andreas Barankay, Hans-Peter Lorenz (Hrsg.): Interdisziplinäre Versorgung angeborener Herzfehler. Balingen: Spitta Verlag (2002). ISBN-10: 3934211291
  3. Gerd Herold: Innere Medizin. Köln: G. Herold Verlag (2019). ISBN-10: 3981466063
  4. Erland Erdmann (Hrsg.) Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße. Stuttgart: Springer-Verlag (2011). ISBN-10: 3642164803.