Blutwerte bei Chemotherapie » Veränderungen:

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Was macht die Chemo mit dem Blut?

Leiden Sie oder einer Ihrer Angehörigen an einer Krebserkrankung, kennen Sie das vielleicht: Die Blutwerte sind zu schlecht für eine Chemo. Oder nach der Chemotherapie sind die Blutwerte für eine weitere Behandlung nicht ausreichend.

Sicherlich haben Sie sich dann schon gefragt, was das zu bedeuten hat und warum man die Therapie nicht fortsetzt. Schließlich lauern ein Tumor und/oder Metastasen und müssen bekämpft werden, bevor sie weiterwachsen.

Wir erklären Ihnen, was es damit auf sich hat, wenn die..

Blutwerte zu schlecht für die Chemo sind

Chemotherapie bei Morbus Hodgkin
Chemotherapie Copyright: sudok1 bigstockphoto

Was macht die Chemotherapie mit den Blutwerten?

Krebszellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich wesentlich schneller und häufiger teilen als die Zellen, aus denen sie hervorgegangen sind. Das macht man sich bei der Krebstherapie mit Chemo und Bestrahlung zunutze.

Vereinfacht gesagt richtet sich eine antineoplastische (= gegen Tumorzellen gerichtete) Chemotherapie gegen alle schnell teilenden Zellen. Das geschieht mit speziellen Substanzen, die bei dieser beschleunigten Zellteilung eingreifen und die Zelle schädigen. Diese sogenannten Chemotherapeutika oder Zytostatika wirken zytotoxisch und töten die Zellen ab oder sind zytostatisch und hindern die Zellen an der weiteren Vermehrung. Auf diese Weise versucht man den Tumor am weiteren Wachstum zu hindern oder sogar verschwinden zu lassen.

Dafür gibt es eine ganze Reihe verschiedener Ansatzmöglichkeiten:

  • Alkylantien (Cyclophosphamid, Thiotepa) und
  • Platinanaloge (Cisplatin, Carboplatin) vernetzen die DNA-Stränge,
  • Interkalantien (Doxorubicin, Daunorubicin) binden an die DNA und verhindern, dass die Enyzme der Vervielfältigung (Replikation) angreifen können,
  • Topoisomerasehemmer (Etoposid, Topotecan) stören diese Enzyme direkt,
  • Mitosehemmer (Vincristin, Paclitaxel) binden an das Tubulin des Spindelapparates, der die Chromosomen auseinanderzieht, und
  • Antimetabolite (Methotrexat, 5-Fluoruracil) werden anstelle der korrekten DNA-Bausteine eingebaut.

 

Das Wichtigste auf einen Blick!

  1. Eine Chemotherapie zielt darauf ab, alle sich stark teilenden Zellen an der Vermehrung zu hindern oder abzutöten.
  2. Der Eingriff in die Zellteilung betrifft auch die teilungsfähigen Stammzellen des Knochenmarks, die für die Blutbildung verantwortlich sind.
  3. Daher führt eine Chemotherapie unter Umständen zu einer starken Verringerung der Blutwerte von Erythrozyten, Leukozyten oder Thrombozyten.
  4. Die Folge davon sind Blutarmut (Anämie), eine erhöhte Infektanfälligkeit mangels Immunabwehr und/oder eine gestörte Blutgerinnung.
  5. Sind diese Blutwerte zu schlecht für eine Chemo, setzt man die Therapie aus, um entsprechende gesundheitliche Konsequenzen zu vermeiden.

 

Wie wirkt sich Chemotherapie auf die gesunde Zellen aus?

Diese Mechanismen greifen auch in die Zellteilung normaler, gesunder Zellen ein. Je seltener sich eine Zelle teilt, desto besser sind die Aussichten, dass die Chemotherapie keine Auswirkungen auf sie hat.

Paradebeispiel sind die Nervenzellen, die sich nach vollständiger Ausbildung nur noch in Ausnahmefällen vermehren. Ganz anders sieht das bei den Zellen aus, die ohnehin eine relativ hohe Teilungsrate aufweisen, wie die der Haarfollikel oder des Magen-Darm-Traktes. Das ist der Grund, warum Chemopatienten die Haare ausfallen und Übelkeit und Erbrechen ständiger Begleiter bei der Chemo sind.

Ebenso werden die Keimzellen von Mann und Frau in Mitleidenschaft gezogen, sodass viele gerade jüngere Paare mit Kinderwunsch vor einer Chemotherapie Eizellen oder Sperma einfrieren lassen. In vielen Fällen ist die Fertilität nach einer Chemo stark herabgesetzt oder gleich null.

Zytostatika und ihre Folgen für die Blutbildung

Nicht ganz so auffällig, aber noch wesentlich folgenreicher sind die Auswirkungen auf das blutbildende System. Die Stammzellen des Knochenmarks gehören zu den fleißigsten Zellproduzenten des menschlichen Körpers. Kein Wunder also, dass eine Chemo sich hier verheerend auswirken kann. Zytostatika behindern die Bildung von roten Blutkörperchen (Erythropoese), weißen Blutkörperchen (Leukopoese) und Blutplättchen (Thrombopoese).

Stellt sich bei der Laboruntersuchung vor einer neuen Sitzung heraus, dass diese Blutwerte zu schlecht für eine Chemo sind, setzt man die Behandlung vorübergehend aus. Denn wenn sich der entsprechende Blutwert noch weiter verschlechtert, hat das gesundheitliche Konsequenzen:

  • Zu wenige rote Blutkörperchen (Erythropenie) führen zu einer Blutarmut (Anämie). Die Folgen sind eine mangelhafte Sauerstoffversorgung des Körpers, da die transportierenden Erythrozyten fehlen. Erstes Alarmzeichen für eine drohende Anämie können verminderte Retikulozytenwerte sein, da diese die unreife Vorstufe der Erythrozyten darstellen. Die Folgen einer Anämie sind Leistungsabfall, ständige Müdigkeit und blasse Hautfarbe – viele Chemopatienten kennen diese Symptome, ohne dass der Blutwert für die Erythrozyten alarmierende Werte erreicht.
    • Normwert für die Erythrozyten (ERY, RBC):
      • 3,9 – 5,3 pro Picoliter (Milliardstel Milliliter) bei Frauen
      • 4,2 – 6,0 pro Picoliter bei Männern.
    • Normwert für Retikulozyten (RET):
      • 0,8 – 4,1 % bei Frauen
      • 0,8 – 2,2 % bei Männern
  • Zu wenige weiße Blutkörperchen (Leukopenie) bedeutet zu wenige Abwehrzellen im Blut. Die Folgen sind eine gesteigerte Infektanfälligkeit, in deren Folge sich Entzündungen in Zahnfleisch, Hals-Nase-Rachen-Raum und im Mittelohr häufen. Auch solche Symptome dürften vielen Chemopatienten bekannt vorkommen.
  • Zu wenige Blutplättchen (Thrombopenie) führen zu Störungen der Blutgerinnung mit erhöhter Blutungsneigung. Die Folge sind Nasen- und Zahnfleischbluten und man bekommt leichter blaue Flecken, sobald man sich nur geringfügig stößt. Bei einer ausgeprägen Thrombopenie kommt es zu Schleimhautblutungen und stecknadelkopfgroßen Hauteinblutungen (Petechien).
    • Normwert für die Blutplättchen (THRO, PLT): 150 – 400 pro Nanoliter (Millionstel Milliliter).

Was bedeutet das für den Therapieerfolg

Natürlich sollte man den Krebs so früh und so gründlich wie irgend möglich bekämpfen. Wenn die Blutwerte zu schlecht für eine Chemo sind, muss der behandelnde Arzt sehr genau abwägen, welches Risiko überwiegt:

Das des weiter wachsenden und möglicherweise metastasierenden Tumors oder das von Blutarmut, Infektanfälligkeit und/oder Blutungsrisiko. Eine solche Entscheidung ist nur mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl für den jeweiligen Einzelfall möglich.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ):
    • Broschüren und Informationsblätter. Link>>.
  2. Deutsche Krebsgesellschaft:
    • Basisinformationen zu verschiedenen Krebsarten. Link>>.