Gestose – Erkrankungen in der Schwangerschaft

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Symptome, Behandlung und Formen der Schwangerschaftsbedingten Erkrankungen

Gestose bezeichnet eine Reihe von Krankheiten, die nur während einer Schwangerschaft auftreten und mit erhöhten Blutdruck einhergehen. Es handelt sich dabei um verschiedene Entgleisungen des Stoffwechsels infolge hormoneller Umstellungen während der Gravidität. Früher hat man diese als Schwangerschaftsvergiftung bezeichnet.

Ganz so abwegig ist dieser Name nicht, denn was relativ harmlos mit erhöhtem Blutdruck, Kopfschmerzen und Wasser in den Beinen beginnt, kann im Extremfall für Mutter und Kind tödlich enden. Noch heute ist die Gestose die Ursache von 10 bis 15 Prozent aller Todesfälle von Müttern innerhalb der Schwangerschaft. Auch ohne fatalen Ausgang ist die Gestose die häufigste Komplikation während einer Schwangerschaft.

Gestose
Gestose, Symptome, (früher Schwangerschaftsvergiftung) Gestose, Symptome, Schwangerschaftsvergiftung) Copyright: Piotr Adamowicz , bigstockphoto

Gestose: Definition

Der alte Begriff Schwangerschaftsvergiftung beruht auf der Vorstellung, dass die Mutter durch eigene Stoffwechselprodukte und solche des ungeborenen Babys vergiftet wird. Heute weiß man, dass dem nicht so ist. Der moderne Begriff Gestose fasst schwangerschaftsbedingte Krankheiten zusammen, deren genaue Ursache nicht bekannt ist und die Bluthochdruck zur Folge haben. Man spricht daher auch von einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung.

Im Wesentlichen kann man bei der Gestose eine frühe und eine späte Form unterscheiden. Frühgestosen treten im ersten Drittel (Trimenon) der Schwangerschaft auf, Spätgestosen im letzten. Das zweite Drittel der Schwangerschaft ist im allgemeinen beschwerdefrei (Toleranzstadium). Eine Heilung während der Schwangerschaft ist nicht möglich. Nach der Geburt klingen die Symptome langsam von selbst ab.

Die unterschiedlichen Formen der Erkrankung und ihre Symptome

Frühgestosen

  • äußern sich vor allem in
    • Hyperemesis gravidarum mit
      • starker Übelkeit (bei 80 Prozent aller Schwangeren) und
      • Erbrechen selbst bei leerem Magen, besonders morgens, bei der Hälfte davon. Das führt zu
      • Mangelerscheinungen durch unzureichende Nahrungsaufnahme und
      • Austrocknung (Exsikkose) durch unzureichende Flüssigkeitsaufnahme.
      • Depressionen
      • Schlafstörungen
      • Benommenheit und Verwirrungszustände
    • Von einer Hyperemesis spricht man, wenn die Schwangere bis zu zehnmal täglich erbricht, unabhängig von Tageszeit oder Nahrungsaufnahme.

Spätgestosen

  • sind für Mutter und Kind wesentlich gefährlicher als die Frühgestosen.
    • Dazu gehört die Präeklampsie, die man aufgrund ihrer typischen Symptome auch als EPH-Gestose bezeichnet:
      • Edema – Ödeme, vor allem in den Beinen
      • Proteinuria – Eiweißausscheidung im Urin. Von einer Proteinurie spricht man, wenn über 24 Stunden mehr als 300 Milligramm Eiweiß mit dem Urin ausgeschieden werden (Sammelurin).
      • Hypertony – Bluthochdruck (Schwangerschaftsbluthochdruck, Gestationshypertonie) über 140/90 mmHg.
        Bereits beim Auftreten solcher Vorzeichen sollte eine Schwangere ihren Frauenarzt aufsuchen, denn es können sich weitere, schwerwiegende Komplikationen ergeben:

Eklampsie

    • kann für Mutter und Kind lebensgefährlich sein, denn sie führt zu
      • Thrombosen
      • Ödemen von Lunge und Gehirn
      • verminderte Harnausscheidung (Oligurie) infolge eingeschränkter Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen
      • Leberversagen
      • Funktionsstörungen des Mutterkuchens (Placenta-Insufffizienz)
      • Wachstumsverzögerungen und schlimmstenfalls Absterben des Embryos.
      • Schwere Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit können vor oder während der Geburt auftreten.

HELLP-Syndrom

    • ist besonders tückisch, da die Symptome nicht besonders spezifisch sind und daher leicht übersehen werden. Es tritt bei 1 – 3 Promille aller schwangeren Frauen auf.
      • HemolysisHämolyse, eine Zerstörung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten)
      • Elevated Liver Enzymes – erhöhte Leberenzyme
      • Low Platelet Count – erniedrigte Blutplättchenzahl (Thrombozytopenie) führt zu Blutungsneigung
        HELLP äußert sich durch
      • Übelkeit und Erbrechen
      • Schmerzen im rechten Oberbauch
      • neurologische Störungen
        • Sehstörungen (Augenflimmern, Doppelbilder, Lichtempfindlichkeit bis hin zu vorübergehender Blindheit)
        • Verwirrungszustände
        • motorische Defizite.

Grund hierfür sind Störungen der Leberfunktion und dadurch auch der Blutgerinnung. Im Extremfall kann das HELLP-Syndrom durch Hirnblutungen und Leberriss innerhalb weniger Stunden zum Tode führen.

Propfgestose

  • bezeichnet eine Gestose, bei der die Mutter bereits vor der Schwangerschaft an einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) oder einer Erkrankung der Niere leidet. Während der Schwangerschaft verstärken sich die damit verbundenen Symptome und neue kommen hinzu, werden „aufgepfropft“. Der Hypertonus kann länger als drei Monate nach der Entbindung fortbestehen (chronische Hypertonie).
Gestose
Gestose, Symptome, (früher Schwangerschaftsvergiftung) Gestose, Symptome, Schwangerschaftsvergiftung) Copyright: Piotr Adamowicz , bigstockphoto

Gestose: Ursachen und Risikofaktoren

Wie es zu einer Gestose kommt, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass Stoffwechselstörungen und ein während der Schwangerschaft erhöhter Blutdruck ursächlich sind. Die veränderte Hormonlage dürfte zu der verbreiteten Übelkeit beitragen.

Diskutiert wird auch eine Beteiligung des Mutterkuchens (Placenta) mit seinen Anteilen an mütterlichem und kindlichem Kreislauf. Die Oberflächenantigene von als fremd erkannten (=fetalen) Zellen und Zellbestandteilen stimuliert das mütterliche Immunsystem. Das aktiviert die Blutgerinnung und führt durch den Wasseraustritt aus den Gefäßen zu Ödembildungen. Hierbei würde es sich demzufolge um eine immunologische Unverträglichkeit handeln.

Auch Störungen im Stoffwechsel der Prostaglandine werden als mögliche Ursachen einer Gestose angenommen. Diese wirken lokal als Gewebshormone und vermitteln die Wirkung verschiedener anderer übergeordneter Hormone. Außerdem sind sie an Entzündungsreaktionen beteiligt.

Neuere Forschungen gehen davon aus, dass das Bakterium Helicobacter pylori bei der Gestose eine Rolle spielt. Dieses kommt bei rund der Hälfte der Bevölkerung im Magen vor und gilt als Hauptverursacher von Magengeschwüren.

Das Risiko für das Auftreten einer Gestose ist erhöht bei

  • Erstgebärenden (80 % aller Eklampsien treten bei der ersten Geburt auf)
  • Frühgebärenden (unter 18 Lebensjahren)
  • Spätgebärenden (über 40 Lebensjahren)
  • Mehrlingsschwangerschaften (sechsmal häufiger als bei einfachen Schwangerschaften)
  • familiärer Disposition
  • bereits vorher erhöhtem Blutdruck
  • starkem Übergewicht (Adipositas)
  • Diabetes mellitus
  • Nierenerkrankungen
  • Autoimmunerkrankungen – vor allem Antiphospholipid-Syndrom, einer erhöhten Thromboseneigung (Thrombophilie) sowie andere
  • Blutgerinnungsstörungen.

Spätgestosen sind die Ursachen von bis zu der Hälfte aller Frühgeburten.

Untersuchungen und Behandlung

Bei der Untersuchung einer möglichen Gestose wird Sie Ihr Gynäkologe zu Ihrer Krankheitsgeschichte befragen und eine körperliche Untersuchung vornehmen. Bei der Anamnese ist es für ihn wichtig zu erfahren, ob Sie bereits vorher an Bluthochdruck litten und bei früheren Schwangerschaften bereits eine Gestose festgestellt wurde. Er wird sich erkundigen, ob in der näheren Familie andere Mütter eine Gestose aufwiesen. Auch zu Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Kopfschmerzen wird er sie befragen.

Zur weiteren Untersuchung gehören

  • Kontrolle des Blutdruckes, der bei Gestose erhöht zu sein pflegt.
  • Gewichtskontrolle. Bei einer EPH-Gestose und den damit verbundenen Ödembildungen führt das eingelagerte Wasser zur Gewichtszunahme.
  • Urinuntersuchung. Vor allem Eiweiße haben im gesunden Urin nichts zu suchen. Bei einer Gestose tauchen sie dort vermehrt auf (Proteinurie, Albuminurie). Untersucht wird der Mittelstrahlurin oder der über 24 Stunden gesammelte Sammelurin.
  • Blutuntersuchung. Bei den Laborwerten sind von besonderem Interesse
    • die Leberwerte. Die Transaminasen (GOT, GPT) sind infolge Leberschädigungen bei Gestose erhöht.
    • die Menge der Blutplättchen (Thrombozyten). Eine verringerte Anzahl (Thrombozytopenie) könnte ein Hinweis auf das HELLP-Syndrom sein
    • Kreatinin als Indikator für die Nierenfunktion ist erhöht
    • Hämatokrit (Anteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) am Blutvolumen).
  • Abdomen-Sonographie. Bei der Ultraschalluntersuchung des Bauchbereiches können Größenveränderungen der Leber diagnostiziert werden, wie sie bei schwerwiegender Gestose auftreten. Ist der Befund nicht eindeutig, wird ein zusätzliches bildgebendes Verfahren notwendig. Dabei handelt es sich meistens um eine
  • Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT) des Abdomens, da dieses im Gegensatz zur Computertomographie ohne schädliche Strahlung auskommt.
  • Das Kind selbst wird ebenfalls mit einer Ultraschalluntersuchung und einer Kardiotokographie (CTG) überprüft. Dabei werden Herztätigkeit und Blutversorgung kontrolliert. Die Kardiotokographie dient der gleichzeitigen Untersuchung der Herztöne und Schlagfrequenz des ungeborenen Kindes und der Wehentätigkeit (tokos, griechisch für Wehe) der Mutter.

Behandlung

Bei einer Gestose ist eine frühzeitige Behandlung unbedingt notwendig. Bis zu 90 Prozent der dadurch verursachten Todesfälle lassen sich durch eine rechtzeitig eingeleitete Therapie vermeiden.

Sollten Sie den Verdacht haben, dass Sie an einer Gestose leiden könnten, müssen Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen, um das abklären zu lassen. Selbst wenn es nichts Ernstes ist, sollten Sie gerade während der Schwangerschaft lieber auf Nummer sicher gehen und vorsichtig sein. Bei den heute üblichen Vorsorgeuntersuchungen wird Ihr Arzt Ihren Gesundheitszustand ohnehin regelmäßig in dieser Richtung überprüfen. Diese regelmäßigen Kontrollen sollten Sie im eigenen Interesse und im Interesse Ihres ungeborenen Kindes in jedem Falle regelmäßig nachkommen. Die früher nicht unüblichen Folgeschäden beim Baby sind durch die heutigen Methoden zur Früherkennung und rechtzeitigen Behandlung einer Gestose selten geworden. Trotzdem sollten Sie auch nach der Geburt eine regelmäßige medizinische Betreuung in Anspruch nehmen, um allen Eventualitäten vorzubeugen.

Wichtig bei einer Gestose ist vor allem eine eiweißreiche (Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchte) und ausnahmsweise relativ Natriumchlorid-haltige Ernährung. Von den früher oft verordneten Diäten mit Obst und Reis ist man heute vollkommen abgekommen. Im übrigen sind alle Formen einer beschränkenden Diät, die zu Mangelerscheinungen gleich welcher Art führen könnten, absolut kontraindiziert. Zur Krampfprophylaxe wird gerne Magnesium gegeben.

Stress als eine der Hauptursachen für hohen Blutdruck sollte so gut wie möglich vermieden werden. Bettruhe und körperliche Schonung reichen zur Behandlung einer einfachen Gestose in den meisten Fällen aus.

Wassereinlagerungen bemerken Sie selbst daran, dass die Fesseln der Füße und das Gesicht angeschwollen sind. Sie sollten auf ausreichend Bewegung an der frischen Luft achten, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bekommen. Auch Wechselduschen und Bürstenmassagen sind hilfreich. Den Ödembildungen in den Beinen kann man durch Hochlagerung und Thrombose-Strümpfe gut entgegenwirken.

Bei persistierender Hypertonie, der auch mit blutdrucksenkenden Medikamenten nicht beizukommen ist, und sonstigem schweren Verlauf empfiehlt sich eine stationäre Überwachung im Krankenhaus. Dort behandelt man den gestörten Elektrolythaushalt gegebenenfalls mit Infusionen und verabreicht Medikamente gegen die Übelkeit und spezielle Blutdrucksenker.

Im Extremfall muss ein Kaiserschnitt (Sectio caesarea) durchgeführt werden, um einer Frühgeburt oder Gefährdung des Kindes zuvorzukommen. Das ist in der Regel erst nach der 37. Schwangerschaftswoche der Fall, in der 35. bis 37. nur in sehr schweren Fällen. Sollte vor der 35. Schwangerschaftswoche ein Kaiserschnitt notwendig werden, gibt man zwei Tage vor dem Geburtstermin das künstlich hergestellte Glukokortikoid Betamethason, das die Lungenreifung beim Ungeborenen beschleunigt. In Deutschland müssen bis zu 20.000 Kinder jährlich wegen einer Gestose vorzeitig entbunden werden. Trotz der guten medizinischen Behandlung sterben immer noch rund fünf Frauen jährlich während der Geburt aufgrund der Folgeerscheinungen einer Gestose.

Der erhöhte Blutdruck sollte sich spätestens zwölf Wochen nach der Entbindung gebessert haben.

Literatur

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