Urinuntersuchungen: Zweigläserprobe, Dreigläserprobe, Viergläserprobe

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Wir erklären diagnostischen Methoden und Begriffe bei einer Urinuntersuchung

Die Zweigläserprobe gehört zu den diagnostischen Methoden zur Urinuntersuchung. Durch das portionsweise Auffangen des Harns ist es möglich, eine Harnwegsinfektion leicht zu lokalisieren. Je nach Trübung des abgegebenen Urins werden weitere Folgeuntersuchungen notwendig.

URinuntersuchungen, Was ist die Zweigläserprobe?
Was ist die Zweigläserprobe? Copyright: New Africa, bigstockphoto

Was ist die Zweigläserprobe?

Harnwegsinfekte sorgen für Trübungen des Urins infolge von Bakterien, eingewanderten weißen Blutkörperchen oder Ausfällung von gelösten Substanzen infolge des bakteriellen Wachstums. Fängt man den Urin portionsweise auf, kann der Hausarzt oder Urologe daraus zurückschließen, an welcher Stelle im Urogenitaltrakt die Infektion lokalisiert ist.

Der einfache Test wurde von dem britischen Chirurgen und einem der ersten Urologen Henry Thompson Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Zu Weltruhm gelangte er durch die ersten erfolgreichen Zertrümmerungen und chirurgischen Entfernungen von Harnsteinen.

Das Wichtigste auf einen Blick!

  1. Als Zweigläserprobe bezeichnet man das fraktionierte Auffangen von Urin in zwei Probebehältnissen.
  2. Sie dient der Untersuchung von Erststrahlurin und Mittelstrahlurin.
  3. Damit lassen sich Infektionen der Harnwege genauer lokalisieren.
  4. Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen wie die Dreigläserprobe notwendig.
  5. Die Untersuchung erfolgt per Auge, mit Teststreifen oder mithilfe einer mikroskopischen Untersuchung.
Bedeutung der Urinfarbe
Geruch und Farbe des Urins deuten auf gesundheitliche Störungen hin. Copyright: Richard Pinder bigstockphoto

Erststrahlurin, Mittelstrahlurin und Terminalstrahlurin

Bei urologischen Untersuchungen ist häufig eine Untersuchung des Mittelstrahlurins (MSU) angesagt. Hierzu muss der Patient erst eine kleine Harnportion abgeben, bevor der Harn aufgefangen und im Labor weiter untersucht wird.

Den sogenannten Erstrahlurin verwirft man, da er Schleimhautzellen, Bakterien und sonstige natürliche Verunreinigungen enthält und für die Untersuchung des eigentlichen Harns nicht geeignet ist.

Bei Infektionen der Harnwege interessiert man sich hingegen genau für diesen Erstrahlurin, denn hier finden sich auch Bakterien, die die Harnröhre besiedelt haben. Dagegen finden sich im Mittelstrahl gegebenenfalls Zellen und Bakterien aus der Blase. Erst ganz zuletzt tauchen Zellen und Bakterien aus Harnleiter und Nieren im Harn auf. Diese letzte Portion bezeichnet man als Endstrahlurin oder Terminalstrahlurin.

Wie macht man eine Zweigläserprobe?

Die Trennung von Erststrahlurin und Mittelstrahlurin ist denkbar einfach: Zunächst wird die Öffnung der Harnröhre desinfiziert, beim Mann die Penisspitze. Danach fängt man die ersten 10 bis 30 Milliliter Urin in einem Urinbecher auf. Sodann wird die nächste Urinportion in einem zweiten Behältnis aufgefangen – daher der Name Zweigläserprobe. Beider werden anschließend getrennt untersucht.

Wie werden die Urinproben weiter untersucht?

Die einfachste Untersuchung der so gewonnenen Urinproben ist die Inspektion, die optische Begutachtung. Je nach der Konzentration von Endprodukten des Hämoglobinabbaus, den Urochromen wie Urobilin, ist dieser mehr oder weniger gelb gefärbt.

Trübungen entstehen, wenn kleine lichtbrechende Partikel darin enthalten sind: Bakterien, weiße Blutkörperchen (Leukozyten) oder ausgefällte Substanzen, die durch Veränderungen des pH-Wertes infolge Bakterienwachstums eine geringere Löslichkeit bekommen. Diese Trübung spricht demzufolge für eine Entzündung infolge einer Infektion.

Schreitet diese Entzündungsreaktion weiter fort, wird die Schleimhaut geschädigt und Blut geht in den Urin über. Durch rote Blutkörperchen (Erythrozyten) kommt es zu einer Rotfärbung (Hämaturie).

Teststreifen erlauben einen Schnelltest auf eine Vielzahl von Laborparametern. Sie geben nähere Auskunft über Nitrit, Glukose, Urobilinogen und andere Urinwerte.

Mikroskopische Untersuchungen sind aufwändig und selten nötig. Sie werden durchgeführt, wenn Verdacht auf Beeinträchtigungen der Schleimhautoberflächen besteht. In einem solchen Fall lassen sich nach Zentrifugation der Urinproben im Urinsediment Epithelzellen feststellen.

Dreigläserprobe

Beim Mann spielen Erkrankungen der Vorsteherdrüse eine wichtige Rolle in Urologie und Andrologie. Dazu gehört die Entzündung der Prostata, die Prostatitis. Ob diese entzündlich oder nicht-entzündlich ist, kann man mit einer Dreigläserprobe untersuchen. Dazu entnimmt der Arzt zunächst Erstrahlurin und Mittelstrahlurin wie bei der üblichen Zweigläserprobe. Danach folgt eine leichte Prostatamassage mittels digitaler rektaler Untersuchung – dem berüchtigten Finger im Po. Entleert der Patient danach eine dritte Portion Urin, enthält diese zusätzlich Prostatasekret und man spricht von einer Dreigläserprobe.

Viergläserprobe

Zur Viergläserprobe wird die Untersuchung, wenn bereits bei der Prostatamassage an der Penisspitze Sekret austritt. Dieses wird zunächst in einem Behältnis aufgefangen, bevor man die nächste Portion Urin mit darin enthaltenem Prostatasekret gewinnt.

Noch weiter geht die Untersuchung von 24 h-Urin: Hier muss der Patient einen ganzen Tag lang seinen Urin sammeln. Damit lassen sich auch Beeinträchtigungen der Nieren wie eine Nierenbeckenentzündung feststellen.

Zweigläserprobe und Tripper

Tripper (Gonorrhoe) gehört zu den sexuell übertragbaren Krankheiten (sexually transmitted diseases, STD) und wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae hervorgerufen. Sie wandert von der Penisspitze der Harnröhre entlang und breitet sich erst nach etwa drei Wochen auf den Geschlechtsapparat aus.

Hier bietet die Zweigläserprobe eine einfache Möglichkeit festzustellen, wie lange die Infektion zurückliegt: Finden sich im ersten Glas Bakterien und im zweiten nicht, liegt die Infektion weniger als drei Wochen zurück. Kommen Trübungen im zweiten Glas hinzu, sind die Bakterien bereits in die untere Harnröhre und Blase eingewandert. Gelangen sie weiter und infizieren Prostata, Hoden und Nebenhoden, droht bei Nichtbehandlung Unfruchtbarkeit. Durch rechtzeitige Erkennung und Behandlung mit Antibiotika lassen sich diese Auswirkungen vermeiden.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  • Wolfgang Wegener, Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil: Enzyklopädie Medizingeschichte. 1. Auflage. Berlin 2004: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110157144.
  • Thomas Gasser: Basiswissen Urologie. 6. Auflage. Stuttgart 2015: Springer-Verlag. ISBN-10: 3662451301.
  • Richard Hautmann, Jürgen E. Gschwend: Urologie (Springer-Lehrbuch). 5. Auflage. Stuttgart 2014: Springer-Verlag. ISBN-10: 364234318X.
  • Jürgen Sökeland, Herbert Rübben, Iris Rübben, Marcus Schenk, Herbert Sperling: Taschenlehrbuch Urologie. 14. Auflage. Stuttgart 2007: Thieme-Verlag. ISBN-10: 3133006142.
  • Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. München/Jena 2003: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN 3-437-15072-3.
  • Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage. Berlin 2014: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110339978.
  • Wolfgang Piper: Innere Medizin. 2. Auflage. Stuttgart 2012: Springer-Verlag. ISBN-10: 3642331076.
  • Gerd Herold: Innere Medizin. Köln 2020: G. Herold Verlag. ISBN-10: 3981466063.