Alpha-Amylase – Bedeutung der Amylasewerte

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Alpha-Amylase im Serum

Die Alpha-Amylase ist ein wichtiges Enzym für die Verdauung von Kohlenhydraten. Wenn die Alpha-Amylase im Serum erhöht ist, kann das auf eine Erkrankung der Speicheldrüsen oder der Bauchspeicheldrüse hindeuten.

Was ist die Alpha-Amylase? Die Alpha-Amylase ist ein Enzym. Enzyme sind Eiweiße, die wie ein Katalysator eine biochemische Reaktion beschleunigen. Es gibt fünf Unterformen der Alpha-Amylase. Drei davon findet man im Speichel und nennt sie deshalb Speichel-Amylase, zwei sind im Sekret der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) enthalten und heißen daher Pankreas-Amylase.

Blutröhrchen
Blutprobe © Shawn Hempel – Fotolia.com

 

Ursprung der Alpha-Amylase: Speicheldrüse und Bauchspeicheldrüse

Schon beim Kauen der Nahrung im Mund wird aus den Speicheldrüsen Speichel ausgeschüttet, der verschiedene Enzyme für die Verdauung enthält.

Es gibt drei große Speicheldrüsen, die jeweils paarig auf beiden Seiten angelegt sind: die Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis), die Speicheldrüse am Unterkiefer (Glandula submandibularis) und die Speicheldrüse unter der Zunge (Glandula sublingualis). Daneben gibt es noch mehrere kleine Speicheldrüsen, die sich an mehreren Stellen in der Schleimhaut der Mundhöhle befinden. Eins der Enzyme der Speicheldrüsen ist die Alpha-Amylase. Sie sorgt dafür, dass schon im Mund die ersten Anteile der Stärke aus der Nahrung abgebaut werden.

Die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, ist ein längliches, etwa 100 Gramm schweres Organ im mittleren Oberbauch. Sie hat verschiedene Funktionen. Unter anderem stellt sie viele Enzyme her, die für die Verdauung wichtig sind. Dazu werden pro Tag bis zu eineinhalb Liter Sekret produziert, das die verschiedenen Verdauungsenyzme enthält. Die Verdauungsenzyme werden unterteilt in eiweißspaltende, fettspaltende und kohlenhydratspaltende Enzyme.

Die Pankreas-Amylase ist für den Abbau von Kohlenhydraten zuständig. Sie wird von spezialisierten Zellen in der Bauchspeicheldrüse hergestellt und von dort aus in den Verdauungstrakt ausgeschüttet. Normalerweise gelangt nur ein ganz kleiner Teil davon ins Blut.
Zusätzlich schüttet das Pankreas noch sogenannte endokrine Hormone aus. Die wichtigsten davon heißen Insulin und Glukagon und sind für die Regulation des Blutzuckerspiegels zuständig.

 

 

Wie arbeiten Alpha-Amylase Enzyme?

Eins der wichtigsten Kohlenhydrate ist die Stärke. Stärke besteht aus einer Kette aus Zuckermolekülen. Eine solche Kette nennt man Polysaccharid. Die Zuckermoleküle, die in der Stärke miteinander verknüpft sind, sind Glucosemoleküle. Ungefähr 30 Prozent der Stärke besteht aus linear verknüpften Zuckermolekülen, die man Amylose nennt. 70 Prozent der Stärke ist aus verzweigten Zuckerketten aufgebaut, die man als Amylopektin bezeichnet. Die chemischen Bindungen, mit der die einzelnen Zuckermoleküle in der Stärke verknüpft sind, nennt man glykosidische Bindungen.

Der Zucker Glucose hat die chemische Formel C6H12O6. Das bedeutet, dass er aus sechs Kohlenstoffatomen, zwölf Wasserstoffatomen und sechs Sauerstoffatomen besteht. Die einzelnen Kohlenstoffatome sind durchnummeriert. Je nachdem, zwischen welchen Kohlenstoffatomen die chemische Bindung zwischen zwei Zuckern geknüpft wird, bekommt die Bindung einen bestimmten Namen. Eine Verknüpfung zwischen dem ersten Kohlenstoffatom des einen Glucosemoleküls und dem vierten Kohlenstoffatom des anderen Glucosemoleküls nennt man alpha-1,4-glykosidische Bindung. Diese Bindungen findet man in der linear verknüpften Amylose.

Enzyme, die eine alpha-1,4-glykosidische Bindung spalten können, werden als Alpha-Amylase bezeichnet. Dieses Enzym kann also den linear verknüpften Amylose-Anteil der Stärke in kleinere Bestandteile aufspalten. Diese kleineren Bestandteile sind entweder der Zweifachzucker Maltose, der aus zwei Glucosemolekülen besteht, der Dreifachzucker Maltotriose aus drei Glucosemolekülen oder noch etwas längere Ketten, die aus bis zu zehn Glucosemolekülen bestehen. Diese kleineren Zuckerketten werden später im Darm durch andere Enzyme in einzelne Zuckermoleküle gespalten und können dann im Darm resorbiert und an den Blutkreislauf abgegeben werden. Dort stehen sie dann als Energieträger für die Zellen zu Verfügung.

 

Welches sind Normwerte für die Alpha-Amylase im Serum?

Durch eine Blutuntersuchung kann man den Enzym-Spiegel im Blut messen. Die Normalwerte sind folgende:

  •  Alpha-Amylase insgesamt: 28 bis 100 U/l
  •  Unterform Pankreas: 13-53 U/l
  •  Unterform Speicheldrüse: unter 47 U/l

 

Was bedeuten zu niedrige und zu hohe Werte der Alpha-Amylase im Blut?

Ein zu niedriger Blutwert hat keine besondere Bedeutung und ist nicht schlimm.

Zu hohe Werte des Verdauungsenzyms können auf verschiedene Erkrankungen hindeuten:

– Es kommt zu einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse, auch Pankreatitis genannt, wenn die Verdauungsenzyme schon in der Bauchspeicheldrüse vorzeitig aktiviert werden. Sie wirken dann nicht mehr im Darm und verdauen die Zuckermoleküle, sondern greifen das Bauchspeicheldrüsengewebe an und verdauen es. Dadurch kommt es zu einer Entzündung und das Enzym kann in das Blut übertreten und dort gemessen werden.

– Ein bösartiger oder gutartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse kann den Wert erhöhen, weil dadurch ebenfalls Gewebe der Bauchspeicheldrüse zerstört wird und die Enzyme austreten.

– Eine Verlegung der Gallenwege, zum Beispiel durch Gallensteine ist ebenfalls ein möglicher Grund. Da die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse einen gemeinsamen Ausführungsgang haben, kann bei einer Blockierung dieses Gangs das Sekret der Bauchspeicheldrüse nicht abfließen, staut sich zurück und schädigt das Gewebe der Bauchspeicheldrüse.

– Eine Entzündung der Ohrspeicheldrüse, wie sie zum Beispiel im Rahmen einer Mumps-Erkrankung oder einer viralen Infektion auftritt, erhöht den Blutwert ebenfalls.

– Bei einer Nierenschwäche kann der Wert erhöht sein, weil dadurch die Ausscheidung der im Blut angesammelten Amylase verzögert wird.

Der häufigste Grund für einen hohen Blutwert ist eine Pankreatitis. Am häufigsten entsteht eine Pankreatitis durch Alkoholkonsum oder eine Erkrankung der Gallenwege. Etwa zwei bis zwölf Stunden nach Schmerzbeginn steigt die Pankreas-Amylase soweit an, dass sich im Blut ein erhöhter Wert messen lässt. Nach etwa zwei bis fünf Tagen hat sich der Wert in der Regel wieder normalisiert. Das zweite Enzym, das bei einer akuten Pankreatitis erhöht ist, ist die Lipase. Das ist ein Enzym, das langkettige Fettsäuren aufspaltet. Die Lipase ist meistens stärker und länger erhöht als die Amylase.

Im Labor werden in der Regel der Gesamtwert der Alpha-Amylase oder die Pankreas-Amylase gemessen. Wird nur die Pankreas-Unterform bestimmt, kann man damit nichts über eine mögliche Entzündung der Speicheldrüsen aussagen.

 

Tipps zur Interpretation einer erhöhten Alpha-Amylase

Meistens kann man durch die Beobachtung der klinischen Symptome unterscheiden, ob ein erhöhter Blutwert des Enzyms eher durch eine Erkrankung der Speicheldrüsen oder der Bauchspeicheldrüse verursacht wird. Es kommt aber auch vor, dass ein erhöhter Blutwert bei einer Routineuntersuchung zufällig festgestellt wird. Das ist gar nicht so selten und in der Regel kein Anlass zur Sorge. Bei fast zehn Prozent der asymptomatischen Patienten wird zufällig eine Erhöhung festgestellt, für die sich auch trotz intensiver Diagnostik oft kein Grund finden lässt.

Quellen: Gerd Herold, Innere Medizin 2019; Harald Renz, Praktische Labordiagnostik; Duale Reihe Biochemie