Kostmann Syndrom verstehen – Kongenitale Neutropenie

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Vererbung, Ursache und Symptomatik bei Kostmann Syndrom

Sie sind vor Kurzem Mutter oder Vater geworden und in den ersten Wochen nach der Geburt Ihres Kindes haben Sie die Mitteilung erhalten, dass Ihr Nachwuchs am Kostmann-Syndrom leidet? Auch die Bezeichnung Morbus Kostmann oder schwere kongenitale Neutropenie ist geläufig. Mediziner beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit den Fragen, welche Ursache und Symptome der Krankheit zugrunde liegen und wie sie am besten therapiert wird. Heute ist die Prognose so gut wie nie zuvor.

Kostmann-Syndrom
Das Kostmann-Syndrom als Erbkrankheit mit guter Prognose -Copyright: dolgachov, Bigstockphoto

 

 

Das Kostmann-Syndrom als Erbkrankheit mit guter Prognose

Der Name des Syndroms geht auf den Mediziner Rolf Kostmann zurück, der die Krankheit 1956 erstmals eingehend beschrieb. Die Ursache der Erkrankung ist auf einen Genfehler zurückzuführen. Um welches Gen es sich dabei handelt, konnte aber erst Jahrzehnte später durch den Kinderarzt Christoph Klein im Jahr 2007 beschrieben werden. Es handelt sich also um eine Erbkrankheit, die sich bereits vor der Geburt manifestiert und daher wenige Tage bis maximal wenige Wochen nach der Entbindung deutlich wird.

Das Kostmann-Syndrom zählt zu den seltenen Erbkrankheiten. Rein statistisch ist von 300.000 Neugeborenen ein Kind betroffen. Es liegt eine Mutation im Gen HAX1 vor und dieser Fehler bewirkt, dass bei der Bildung neuer Blutzellen zu wenige oder gar keine neutrophilen Granulozyten gebildet werden. Diese Zellen zählen zu den Leukozyten, also zu den weißen Blutkörperchen.

Die HAX1-Mutation veranlasst bei der Bildung dieser Blutkörperchen ein Stoppsignal. Obwohl der Körper diese Zellen sehr wohl in höherer Anzahl benötigt, signalisiert die Mutation, es gäbe genügend und die Produktion der Vorstufe der neutrophilen Granulozyten wird gehemmt. Somit zirkulieren zu wenige der Zellen durch das Blut.

Kostmann Syndrom
Es zirkulieren zu wenig Leukozyten ( neutrophilen Granulozyten ) im Blut,  Bakterien werden nicht gestoppt. Kostmann Syndrom Copyright: Kateryna Kon, Bigstockphoto

Dieser Prozess beginnt bereits im Körper des Ungeborenen, weshalb betroffene Babys mit einer Unterversorgung an neutrophilen Granulozyten das Licht der Welt erblicken. Ohne ausreichend funktionstüchtige Blutzellen dieser Art, kann sich kein altersgerechtes Immunsystem ausbilden. Neutrophile Granulozyten sind auf das Abwehren von Bakterien spezialisiert. Da betroffenen Kindern diese Zellen fehlen, mangelt es ihnen von Anfang an an grundlegenden Abwehrkräften gegen bakterielle Infektionen.

 

Woran erkennen Mediziner, das ein Kostmann-Syndrom zugrunde liegt?

Es gehört nicht zu den allgemeinen Untersuchungen nach der Geburt, die Kinder auf das Kostmann-Syndrom hin zu testen. Dennoch wird bei einem Vorhandensein der Erbschädigung diese zeitnah auffallen, da die Symptomatik vergleichsweise eindeutig ist.

Der Mensch ist von Geburt an mit unzähligen Erregern in Kontakt und nur das Immunsystem sorgt dafür, dass Bakterien, Viren und Pilze nicht zu Entzündungen im Körper führen. Mangelt es beim Kostmann-Syndrom an neutrophilen Granulozyten, fällt Bakterien jedoch das Endringen in den Organismus leicht. Sie werden von den Abwehrkräften nicht zerstört und vermehren sich daher rasant. Über die Blutbahnen verteilen sie sich systemweit. Die Folge sind schwere Infektionen überall im Körper, die bereits kurz nach der Geburt auftreten.

Die bakteriellen Infektionen führen bei Neugeborenen außerdem zu einer raschen Abszessbildung. Durch die Entzündungsprozesse kommt es zur Eiterbildung. Der Körper reagiert darauf mit einer Art Notfallplan und sorgt für eine Einkapslung dieser Eiteransammlungen. Diese Abszesse sind oft am und im ganzen Körper verteilt.

Zeigen sich bei Ihren Kind diese Infektionen und Abszesse, steht der Verdacht Kostmann-Syndrom im Raum und wird durch die Mediziner der Pädiatrie zeitnah abgeklärt. Dafür genügt eine Blutprobe des Kindes, die auf den Gehalt der weißen Blutkörperchen hin untersucht wird. Sind wenige bis keine neutrophilen Granulozyten im Blut nachweisbar, kann ein angeschlossener Gentest die Gewissheit bringen. Die molekulargenetische Untersuchung sieht sich die Beschaffenheit des Gens HAX1 an und kann den Verdacht auf eine Mutation damit erhärten.

 

Weitere Symptome bei Morbus Kostmann

In nur wenigen Fällen wird das Kostmann-Syndrom nicht zeitnah nach der Entbindung entdeckt. Kommt dies doch einmal vor, so können Sie davon ausgehen, dass nicht sämtliche neutrophilen Granulozyten fehlen und das frühkindliche Immunsystem daher zumindest teilweise arbeiten kann.

Ab dem 24. Lebensmonat zeigen Kleinkinder beim Kostmann-Syndrom jedoch auch bei sonst eher mildem Krankheitsverlauf auffällige Veränderungen in der Mundhöhle. Es kommt trotz altersgerechter Ernährung zu einer Gingivitis. Dies ist eine Zahnfleischentzündung, die durch einen gelblichen Rand rund um die Zahnhälse ins Auge sticht. Häufig gesellt sich zeitnah eine Parodontitis als schwere Entzündung hinzu.

Weitere Begleitsymptome sind eine häufige Müdigkeit der Kinder. Die Jungen und Mädchen zeigen wenig Interesse am Erkunden ihrer Umwelt, denn durch die Überforderung ihres Immunsystems sind sie quasi beständig in einem Kampf. Das verlangt dem jungen Körper viel Kraft ab. Passend dazu kommt es beim Aufbäumen des Immunsystems regelmäßig zu Fieberschüben.

Studien haben zudem gezeigt, dass sich beim Kostmann-Syndrom häufig eine Osteoporose einstellt, also ein überdurchschnittlich schneller Abbau an Knochensubstanz. Wie beide Krankheiten zusammenhängen, konnte bislang noch nicht geklärt werden.

 

Was kann der Arzt für Ihr Kind tun?

Die Behandlung von Morbus Kostmann galt lange Zeit als unmöglich und forderte aufgrund der schweren Infektionen viele Tote. Inzwischen besitzt das Kostmann-Syndrom dank der modernen Diagnostik und den therapeutischen Möglichkeiten jedoch eine günstige Prognose.

Im ersten Schritt erfolgt eine sofortige Symptombehandlung, damit die bakteriellen Herde zurückgehen und keine lebensbedrohenden Infekte auslösen. In der Regel kommen dabei Antibiotika zum Einsatz.

Bei vielen Patienten wird im Folgenden eine G-CSF-Langzeittherapie begonnen. Hinter dem Kürzel steht der englische Ausdruck „Granulocyte-Colony Stimulating Factor“. Zu deutsch wird ein Faktor verabreicht, der die Produktion der neutrophilen Granulozyten stimulieren soll. Bei diesem Faktor handelt es sich um ein Hormon namens Cytokin. Dieses Peptidhormon wird den Patienten regelmäßig verabreicht und in Blutkontrollen die Menge der Leukozyten kontrolliert. Entsprechend der Blutwerte wird die Therapie immer wieder angepasst.

Die G-CSF-Langzeittherapie ist gut verträglich und führt in 90 Prozent der Fälle zu einer erfolgreichen Anhebung der Granulozyten-Menge im Körper. Ihr Kind entwickelt dadurch ein nahezu normales Immunsystem und wird nicht mehr überdurchschnittlich häufig von Infektionen betroffen. Ein Risiko der G-CSF-Therapie besteht allerdings im späteren Auftreten einer Leukämie. In etwa 20 Prozent der Fälle entwickelt sich diese Form der Krebserkrankung. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis ist damit insgesamt als günstig einzustufen.

Eine weitere Möglichkeit, dem Kostmann-Syndrom zu begegnen, ist eine Knochenmarktransplantation. So werden gesunde Stammzellen von einem Spender auf das erkrankte Kind übertragen. In den Stammzellen befindet sich das HAX1-Gen ohne Mutation, was zur normalen Bildung der neutrophilen Granulozyten führen soll.

 

Wichtige Hinweise für Eltern

Vorbeugen lässt sich das Kostmann-Syndrom nicht, denn bislang weiß die Wissenschaft nicht zu sagen, wie die Genmutation während der Entwicklung im Mutterleib entsteht.

Da die Prognose der Krankheit inzwischen sehr gut ist, bedeutet die Diagnose zwar einen enormen Schock für Sie, jedoch sollten Sie gemeinsam mit den behandelten Ärzten konzentriert an der Therapie arbeiten. Seien Sie nicht mutlos, sondern entscheiden Sie sich, zu kämpfen. Schlägt die gewählte Behandlung an, hat Ihr Kind eine normale Lebenserwartung.

Das Risiko auf Infekte können Sie zudem dadurch senken, dass Sie im Alltag Ihr Kind dazu anhalten, häufige Hygienefehler zu vermeiden. Dazu gehört das Erlernen des richtigen Händewaschens (Seife mindestens 30 Sekunden einwirken lassen, warmes Wasser nutzen) und Verhaltensregeln wie ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung.