Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen – Symptome und Verlauf

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Eine intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen bezeichnet Störungen in der Weiterleitung von Impulsen, die im Gewebe der beiden Hauptkammern (Ventrikel) auftreten.

Das führt zu Störungen der Herzfunktion, die einen häufigen Befund während einer EKG-Untersuchung darstellen. Wir erklären Ihnen, wie so etwas zustande kommt und welche Folgen sich daraus ergeben.

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen beeinträchtigen nachhaltig die Herztätigkeit. Die vom Herzen selbst gebildeten Signale werden nur noch unzureichend auf den gesamten Herzmuskel übergeleitet.

Herzuntersuchung im Krankenhaus
Herzuntersuchung im Krankenhaus Copyright: JacobLund bigstockphoto

Was ist eine Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen?

Synonyme für diese Störung sind sind intraventrikuläre Leitungsstörungen, intraventrikulärer Block (IV-Block), intraventrikuläre Erregungsausbreitungsstörungen Schenkelblock oder speziell Rechtsschenkelblock und Linksschenkelblock. Alle diese Begriffe bezeichnen eine Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) infolge einer Reizleitungsstörung.

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen – Das Wichtigste auf einen Blick!

  1. Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen bedeutet eine Beeinträchtigung der Weiterleitung der im Herzen selbst gebildeten Signale zur Steuerung der Herztätigkeit innerhalb des Gewebes der Hauptkammern.
  2. Diese Störungen betreffen das His-Bündel und die Tawara-Schenkel.
  3. Je nach betroffenem Gebiet spricht man von Rechtsschenkelblock und Linksschenkelblock und unterscheidet weiter einen Linksschenkelblock links vorne und links hinten (linksanterior und linksposterior).
  4. Die Diagnose erfolgt durch eine Elektrokardiographie.
  5. Symptome, Behandlung und Prognose richten sich nach der verursachenden Erkrankung. In einigen Fällen macht diese die Implantation eines Herzschrittmachers notwendig.

 

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen haben mit Nerven nichts zu tun

Leitungsstörungen kennen Sie vielleicht vom Kribbeln oder Ameisenlaufen in den Extremitäten oder als Neuropathie, falls Sie Diabetiker sind. Alle diese Störungen beeinträchtigen Nervenbahnen. Eine intraventrikuläre Erregungsleitungsstörung ist etwas völlig anderes, denn Nerven haben damit nichts zu tun. Das Herz wird letztlich zwar auch vom vegetativen Nervensystem beeinflusst, aber für die Bildung von Impulsen und deren Weiterleitung sind spezialisierte Herzmuskelzellen zuständig. Diese lassen sich mikroskopisch von „normalen“ Herzmuskelzellen, die lediglich kontrahieren, unterscheiden. Sie verfügen über weniger Muskelfibrillen, sind daher weniger kontraktionsfähig, und weniger Mitochondrien, Kraftwerke der Zelle, was sie unempfindlicher gegen Sauerstoffmangel macht.

Das Herz ist, was die Erregungsbildung und die Weiterleitung der Impulse angeht, autonom. Die Taktgebung ist so überlebenswichtig, dass die Evolution für eine doppelte Sicherung des Systems gesorgt hat: Fällt ein übergeordnetes Zentrum aus, übernimmt eine untergeordnete Instanz die Erregungsbildung und stellt so sicher, dass das Herz weiter schlägt.

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Wie sieht die Erregungsleitung im Normalfall aus?

Das übergeordnete Zentrum, sprich der primäre Schrittmacher, ist der Sinusknoten (Sinuatrialknoten, Keith-Flack-Knoten). Er sitzt im rechten Vorhof im namensgebenden Sinus der Hohlvenen (Sinus venarum cavarum). Er bildet 60-80 mal pro Minute ein Signal, das weitergeleitet den normalen Herzschlag auslöst.

Wie der Name bereits verrät, sitzt der sekundäre Schrittmacher, der Atrioventrikularknoten (AV-Knoten, Aschoff-Tawara-Knoten) zwischen rechtem Vorhof (Atrium) und Hauptkammer (Ventrikel). Fällt der Sinusknoten aus (Sinusblock), übernimmt er die Impulsgebung mit 40-50 Signalen pro Minute.

Als tertiärer Schrittmacher folgt das His-Bündel. Wenn auch der AV-Knoten (AV-Block) den Dienst versagt, generiert es 20-30 Impulse pro Minute. Das His-Bündel liegt bereits in der Herzmuskulatur der Hauptkammern und setzt sich mit drei Ästen in diese fort: zwei linke (linker hinterer und linker vorderer Schenkel = linksposteriorer und linksanteriorer Faszikel) und einen rechten Tawara-Schenkel (Faszikel), gefolgt von den Purkinje-Fasern in der Umgebung der Herzspitze.

Ab dem His-Bündel spricht man von intraventrikulären Erregungsleitungsstörungen. Die Begriffe Schenkelblock, Rechtsschenkelblock und Linksschenkelblock beziehen sich auf Ausfälle in den Tawara-Schenkeln. Die Purkinje-Fasern, die sich auf die Herzspitze beschränken, sind klinisch nicht von Bedeutung, da die überwiegende Kontraktionsleistung vom Rest des Herzens abhängt und die Spitze nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Einteilung

Je nachdem welche Anteile der Tawara-Schenkel beteiligt sind, unterscheidet man eine, zwei oder drei Blockierungen oder

  • unifaszikulärer (monofaszikulärer) Block,
  • bifaszikulärer Block,
  • trifaszikulärer Block

oder nach der Lokalisation

  • Linksschenkelblock (LSB) mit Unterteilung nach vorderem oder hinterem Schenkel (Hemiblock = „halber“ Block)
    • Linksanteriorer Hemiblock (links vorne; LAH)
    • Linksposteriorer Hemiblock (links hinten; LPH)
  • Rechtsschenkelblock (RSB).

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Was passiert mit dem Impuls?

Wenn die Ausbreitung des Impulses in einem der Tawara-Schenkel unterbrochen ist, setzt er sich in den übrigen Schenkeln normal fort und führt zur Kontraktion. Allerdings erfolgt diese Übertragung wesentlich langsamer als normal. Im Elektrokardiogramm (EKG) erkannt man das an einer Verbreiterung des zugehörigen QRS-Komplexes, der über 120 Millisekunden anwächst.

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Ursachen

Häufigste Ursache für intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen ist die koronare Herzkrankheit (KHK). Eine zusehende Verengung der das Herz mit Sauerstoff versorgenden Herzkranzgefäße sorgt dafür, dass davon versorgte Bereiche des Herzmuskels in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Das kann neben dem normalen kontraktilen Herzmuskelgewebe auch die Komponenten des Erregungsleitungssystems betreffen.

Andere Ursachen für intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen sind

  • Kardiomyopathien (Erkrankungen des Herzmuskels)
    • dilatative Kardiomyopathie (DCM, krankhafte Ausweitung des Herzmuskels ohne wesentliche Zunahme der Wandstärke)
    • hypertrophe Kardiomyopathie mit und ohne Obstruktion (Gewebezerstörung)
    • restriktive Kardiomyopathie (verminderte Dehnbarkeit der Hauptkammern)
    • arrhythmogene Kardiomyopathie (vor allem rechtsventrikulär; Herzrhythmusstörungen durch Umbau der Herzmuskulatur in Bindegewebe)
    • Herzinsuffizienz (Rechtsherzinsuffizienz, Linksherzinsuffizienz, globale Herzinsuffizienz).
  • Herzinfarkt (Myokardinfarkt)
  • Herzmuskelentzündungen (Myokarditis)
  • Aortenklappenfehler
    • Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe)
    • Aortenklappeninsuffizienz (Aorteninsuffizienz, unzureichender Klappenverschluss)
  • Herzoperationen (nach Bypassoperationen häufig, bildet sich aber wieder zurück)
  • Medikamente
    • Antiarrhythmika gegen Herzrhythmusstörungen wie Amiodaron und Dronedaron
    • Antikonvulsiva gegen Epilepsie wie Carbamazepin und Lacosamid
  • Hypermagnesie (erhöhte Blutwerte für Magnesium über 7,5 mmol/l – Referenzbereich 0,8-1,2 mmol/l!)
  • Fallot-Tetralogie
  • Lungenembolie
  • Angeborene arrhythmogene Erkrankungen (Morbus Lenègre und Lenègre-Luv-Syndrom).

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Diagnose

Wie bereits zu vermuten lassen sich intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen in einer Elektrokardiographie (EKG) nachweisen, das die Herzströme misst. Dabei sind die Zacken des QRS-Komplexes verändert (deformiert) und der gesamte Komplex meistens verbreitert. Zudem ist die Repolarisation (Erregungsrückbildung) der betroffenen Herzmuskelzellen gestört, sodass auch die ST-Strecke und die T-Welle verändert sind (ST-Streckenhebung, ST-Streckensenkung).

Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen: Symptome, Therapie und Prognose

Entscheidend für auftretende Symptome wie auch Therapie ist weniger die Erregungsleitungsstörung als die zugrunde liegende Erkrankung.

Ähnliches gilt für die Prognose. In der Regel ist ein Rechtsschenkelblock seltener mit ungünstigen Aussichten verbunden als ein Linksschenkelblock. Generell gilt, dass die Prognose umso ungünstiger ist, je weiter distal (entfernt) eine Störung vorliegt.

Die Implantation eines Herzschrittmachers ist dementsprechend nur bei einer entsprechenden Herzerkrankung indiziert und von der Diagnose intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen unabhängig. Das ist bei einem trifaszikulären Block mit klinischen Symptomen meistens der Fall. Ansonsten treten kurzfristige Ohnmachtsanfälle (Synkopen) und Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) auf. Die übrigen Störungen sind meistens unauffällig.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Albrecht Ohly, Marion Kiening: Kurzlehrbuch EKG endlich verständlich. 2. Auflage. München 2019: Urban & Fischer/Elsevier-Verlag. ISBN-10: 3437414143.
  2. Hans-Joachim Trappe, Hans-Peter Schuster: EKG-Kurs für Isabel. 7. Auflage. Stuttgart 2019: Georg Thieme-Verlag. ISBN-10: 3132407992.
  3. Wilhelm Haverkamp, Günter Breithardt: Moderne Herzrhythmustherapie. Stuttgart 2003: Georg Thieme-Verlag. ISBN-10: 3131262818.