Blutungen durch Faktor-Xa-Inhibitoren stoppen

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Antidot Andexanet alfa in der Zulassung

(Hamilton/Ontario) Beim Einsatz oraler Antikoagulanzien gehören die Blutungen zu den gefährlichsten Komplikationen. Die Ergebnisse einer aktuellen offenen Studie aus dem New England Journal of Medicine haben gezeigt, dass Blutungen durch den Einsatz von Andexanet alfa schneller gestoppt werden konnten. Diese Gefahren treten verstärkt bei den Antikoagulanzien auf, die mit einer schnellen Wirkung einhergehen. Seit 2015 gibt es auch für den Trombinhemmer Dabigatran ein effektives Gegenmittel: Idarucizumab.

Blutgerinnsel
Thromboembol im Blutgefäß. Gerinnselbildung Rote Blutkörperchen und weiße Blutkörperchen, 3D-Illustration, Copyright: Kateryna Kon Bigstockphoto

Hat Andexanet alfa eine deutsche Zulassung?

In Deutschland müssen sich die Patienten noch gedulden, dennoch ist mit der Zulassung von Andexanet alfa zu rechnen. Das Wirkmittel soll Blutungen nach Einsatz von Faktor-Xa-Inhibitoren wie Apixaban und Rivaroxaban stoppen. Das Medikament hat in den USA schon seit vergangenen Mai seine Zulassung. Die End-Ergebnisse der Studie ANNEXA-4 wurden auf der International Stroke Conference 2019 präsentiert. Hier gewährten die Experten einen ersten Einblick in die Wirkung und die Möglichkeiten, die sich mit Andexanet alfa in der Notfallmedizin ergeben.

Das kalifornische US-Unternehmen Portola Pharmaceuticals hat diesen neuen Wirkstoff entwickelt. Als Universal-Antidot soll Andexanet alfa in akuten Notfallsituationen die Wirkung der Gerinnungshemmer schnellstmöglich aufheben. Das ist immer dann der Fall, wenn bei den Patienten unkontrollierte und lebensbedrohliche Blutungen eintreten.  Der Hersteller hat schon im August 2020 einen „Complete Response Letter“ – kurz CRL – an die FDA weitergegeben. Darin fordert die Gesundheitsbehörde der USA weitere Informationen über die Herstellung von Andexanet alfa. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die FDA wohl die Datenlage noch nicht ausreichend analysiert (Quelle: Kardiologie.org).

Was sind Faktor-Xa-Inhibitoren?

Das sind Arzneistoffe, die der Gruppe der Antikoagulanzien zuzuordnen sind. Ihre Hauptaufgabe ist es, den Faktor Xa zu hemmen, der eigentlich für die Hämostase verantwortlich ist. Heute verweisen Faktor-Xa-Inhibitoren vor allen Dingen auf die neueren Faktor-Xa-Hemmer. Dabei lassen sich die indirekten von den direkten Faktor-Xa-Hemmern unterscheiden. In die Gruppe der direkten Hemmer gehören die neuen oralen Antikoagulanzien – kurz NOAK. Die indirekten Hemmer werden unter dem Begriff Xabane zusammengefasst.

Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban oder Betrixaban gehören zu den direkten Faktor-Xa-Hemmern, während Wirkstoffe wie Danaparoid und niedermolekulares Heparin den indirekten Faktor-Xa-Hemmern zuzuordnen sind. Zu den gefährlichsten Risiken der Einnahme dieser Antikoagulanzien zählen schwerwiegende Blutungen nach Verletzungen sowie Gehirnblutungen. Seit vielen Jahren ist die Wissenschaft auf der Suche nach einem Gegenmittel, das eine schnelle Hilfe im akuten Notfallzustand verspricht und den Patienten sofort weiterhelfen kann.

Studie untersucht neues Wirkmittel gegen gefährliche Blutungen

Die Studie läuft seit April 2015 mit insgesamt 352 Patienten aus Nordamerika und Europa. Auch deutsche Probanden sind an dieser Studie beteiligt. Betroffen waren Patienten mit schweren Blutungen, wie Hirnblutungen oder gastrointestinale Blutungen. Vorher haben 194 Patienten eine Behandlung mit Apixaban erhalten und 128 Patienten mit Rivaroxaban. 

Im Angesicht einer lebensgefährlichen Situation war eine Placebogruppe in dieser Studienreihe nicht zu rechtfertigen. Demnach erhielten alle Probanden an diesem Experiment einen Bolus und im Nachhinein eine zweistündige Infusion. Stuart Connolly (McMaster Universität von Hamilton) konnte nach der Injiziierung eine deutliche Veränderung feststellen. So ist die mittlere Anti-Faktor-Xa-Aktivität nach der Injektion von Andexanet alfa auf 11,1 ng/ml gesunken. Führte die Blutung auf Rivaroxaban zurück, konnte der der Rückgang auf 14,2 ng/ml von 211,8 ng/ml verzeichnet werden.  Demnach ließ sich die unmittelbare Wirkung von einer unabhängigen Kommission als gut bis exzellent einordnen.

Risiken und Gefahren von Andexanet alfa

Andexanet alfa ist kein risikofreies Wirkmittel. Denn nach der Gabe von Andexanet alfa entfällt die Schutzwirkung, die eigentlich mit der Einnahme oraler Antikoagulanzien einherging. Im Grunde genommen muss sich der Patient wieder einer Antikoagulation unterziehen, um einen Schutz vor Thrombosen und Embolien zu erfahren. Demnach kam es innerhalb der Studie in den ersten 30 Tagen nach der Behandlung mit Andexanet alfa bei 34 Patienten zu einem thrombotischen Ereignis.  Die Risiken traten bei 10 % der Patienten auf.  49 Patienten verstarben innerhalb der Studie, was eine prozentuale Gewichtung von 13,9 ausmacht. (Quelle: aerzteblatt.de)

Es ist aber schlichtweg unmöglich, den entsprechenden Anteil der Grunderkrankungen oder die Verantwortung von Andexanet alfa mit dem Tod der Patienten in Verbindung zu bringen. Die FDA hat dem Hersteller von Andexanet alfa eine Post-Approval-Study auferlegt, um weitere Daten über die Sicherheit und die Effektivität der Wirkung einzuholen. Das soll die Sicherheit im Umgang mit diesem neuen Wirkmittel erhöhen. Grundsätzlich  schöpfen wohl viele Patienten neue Hoffnung, wenn es darum geht, die Risiken von gefährlichen Blutungen mithilfe eines Antidots einzudämmen.

Quelle und Links

www.aerzteblatt.de/nachrichten/101135/Studie-Andexanet-alfa-stoppt-Blutungen-durch-Faktor-Xa-Inhibitoren