Differentialblutbild Werte und Definition

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Das Differentialblutbild und seine Funktionen

Das Differentialblutbild stellt eine mikroskopische Untersuchung des Blutes dar, die auf manuelle oder automatische Weise erfolgt. Es gibt an, in welcher Zusammensetzung Leukozyten im Blut vorhanden sind. Eine manuelle Auswertung ermöglicht es, die Erythrozyten zu begutachten. Abweichungen von den Normwerten der roten und weißen Blutkörperchen deuten auf mögliche Erkrankungen wie Infektionen oder Mangel-Erscheinungen hin.

Vorsorgeuntersuchung, Blutproben und Formular für medizinisches Labor
Differentialblutbild © countrypixel – Fotolia.com

 

Das Differentialblutbild ist das große Blutbild

Standardmäßig erstellen Laborärzte bei der routinemäßigen Untersuchung des Blutes ein kleines Blutbild. Im Gegensatz zum Differentialblutbild, das die verschiedenen Arten von Leukozyten aufschlüsselt, zeigt das kleine Blutbild lediglich die Gesamtzahl derselben. Es wertet hauptsächlich die Erythrozyten, die roten Blutkörperchen aus. Gemeinsam ergeben die beiden Blutbilder das große Blutbild.

Bei Verdacht auf eine durch Leukozyten nachweisbare Erkrankung oder Mangelerscheinung oder um diese auszuschließen, kommt das als großes Blutbild bezeichnete Differentialblutbild zum Einsatz. Veränderungen und Auffälligkeiten im Bereich der Leukozyten lassen sich mit dessen Hilfe differenziert betrachten, sodass eine spezifische Diagnose möglich ist.

Der heute üblichen automatisierten Bestimmung des Differentialblutbildes schließen Laborärzte eine mikroskopische manuelle Untersuchung an, falls bestimmte Kriterien eintreffen. Bei der visuellen Betrachtung des Blutes durch gut geschultes Fachpersonal fallen Feinheiten auf, welche die automatisierte Bestimmung übersieht.

 

Auswertungs-Methoden des Differentialblutbildes

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten zur Erstellung eines Differentialblutbildes. Die klassische Methode ist die mikroskopische Untersuchung des Blutes. Die Beurteilung der Ergebnisse erfolgt visuell durch geschultes Fachpersonal. Nur mit dieser Methode lassen sich die Erythrozyten begutachten, weshalb das Verfahren auch die Bezeichnung „rotes Differentialblutbild“ besitzt.

Die neuere und heute gängige Methode für die Erstellung des Differentialblutbildes ist die automatische Bestimmung mithilfe von Hämatologie-Geräten. Deren Prinzip nennt sich Durchflusszyometrie und arbeitet mit Laserlicht. Die einzelnen Zellen fließen nacheinander durch eine Messkammer, die Flusszelle. Dort vermisst und bewertet das Gerät innerhalb weniger Sekunden 50.000 bis 100.000 Stück.

Eine weitere Möglichkeit sind automatisierte Mikroskope in Kombination mit einer Bildverarbeitungs-Software, die eine teilautomatische Bestimmung des Blutbildes ermöglichen. In der Praxis führen Laborärzte zunächst eine automatische Untersuchung des Blutes durch. Bestimmte Hinweise sorgen für eine anschließende mikroskopische Begutachtung, mit deren Hilfe durch eine visuelle Betrachtung geschultes Fachpersonal Feinheiten ausmacht, die dem Gerät möglicherweise entgingen.

 

Differenzierung der Leukozyten

Hauptaufgabe des Differentialblutbildes ist es, die Verteilung der Leukozyten im Blut zu bestimmen. Es existieren verschiedene Arten der weißen Blutzellen. Sie sind die im Gegensatz zu den Erythrozyten kernhaltigen Zellen des menschlichen Blutes und tragen nicht den Zellfarbstoff Hämoglobin in sich. Deshalb besitzen sie die Bezeichnung „weiße Blutkörperchen“. Die verschiedenen Arten der Leukozyten üben im Immunsystem des Menschen unterschiedliche Funktionen aus.

Die weißen Blutzellen unterteilen sich in:

Die Granulozyten unterteilen sich in neutrophile, die im Normalfall mit einem Anteil von etwa 60 Prozent vertreten sind, eosinophile mit einem Anteil von etwa 1-5 Prozent und basophile mit einem Anteil von unter 1 Prozent. Von den neutrophilen Granulozyten sind 55 Prozent segmentkernige, also reifere und 5 Prozent stabkernige, also jüngere Exemplare. Die großen weißen Blutkörperchen mit feinkörnigem Protoplasma wirken als Teil der Immunabwehr, indem sie Krankheitserreger angreifen und unschädlich machen. Die Bildung aus multipotenten Vorläufer-Zellen findet im Knochenmark statt.

Die Lymphozyten machen im Normalfall 20 bis 40 Prozent der Leukozyten aus und lassen sich in B-Lymphozyten, T-Lymphozyten und Killerzellen einteilen. Ihre Vorläufer-Zellen stammen ebenfalls aus dem Knochenmark. Die weitere Bildung findet in der Milz, den Lymphknoten und anderen lymphatischen Organen statt. Die Lymphozyten sorgen für die gezielte Abwehr von Fremdstoffen und Infektions-Erregern sowie veränderten körpereigenen Zellen wie Tumore.

Die Monozyten stellen die größten im Blut vorhandenen Zellen dar. Sie machen einen Gesamtanteil von 2-8 Prozent aus. Sie zirkulieren jeweils für zwölf bis 48 Stunden im Blut, bevor sie sich in weitere Zellformen differenzieren.

Die Plasmazellen, die mit einem Anteil von unter einem Prozent unter den Leukozyten vertreten sind, entstehen aus den B-Lymphozyten. Sie bilden Antikörper gegen verschiedene Krankheits-Erreger.

 

Begutachtung der Erythrozyten

Mithilfe der mikroskopischen Bestimmung des Differentialblutbildes ist es möglich, auch die Erythrozyten zu begutachten. Sie sind die kernlosen roten Blutkörperchen, die den Blutfarbstoff Hämoglobin enthalten, und Hauptbestandteil des kleinen Blutbildes. Mithilfe des Differentialblutbildes lassen sich weitere Schlüsse bezüglich der Erythrozyten ziehen.

Für das Differentialblutbild relevante Untergruppen der Erythrozyten sind:

Makrozyten sind vergrößerte Erythrozyten, die bei einem Vitamin-B12-Mangel oder bei Alkoholschäden des Knochenmarks auftreten. Mikrozyten hingegen sind verkleinerte Erythrozyten, die auf eine Eisenmangel-Anämie oder eine Mikrozytose, also Blutungs-Anämie, hindeuten.

Die Targetzellen treten bei starken Anämien auf. Typisch sind sie für eine Thalassämie. Sichelzellen sind das Ergebnis einer Anomalie des Hämoglobins. Fragmentozyten heißen auch „Eierschalenzellen“ und treten beispielsweise bei metastasierendem Siegelring-Karzinom auf.

Die Erythroblasten sind Vorstufen der Erythrozyten und lassen sich in Retikulozyten und Howell-Jolly-Körperchen einteilen. Ein erhöhter Wert von Retikulozyten, der deutlich über einem Prozent liegt, deutet auf mögliche Erkrankungen hin.

 

Worauf abweichende Leukozyten-Werte hindeuten

Mithilfe des Differentialblutbildes prüfen Laborärzte das Blut auf abweichende Werte, um Krankheiten und Mangel-Erscheinungen zu erkennen. Die Differenzierung der Leukozyten ermöglicht eine spezifische Diagnose.

Erhöhte Werte von neutrophilen Granulozyten deuten beispielsweise auf bakterielle Infektionen, Leukämie, akuten Blutverlust, Stoffwechsel-Krankheiten, bösartigen Tumoren, Vergiftungen, Knochenmark-Erkrankungen, Schwangerschaft, körperliche Belastung oder Stress hin. Werte, die unter der Norm liegen, weisen Anämie durch starken Folsäure- und Vitamin-B12-Mangel, Immun-Erkrankungen, Blutbildungs-Störungen, Knochenmark-Schädigungen oder Virus-Infektionen nach.

Sind die Werte der basophilen Granulozyten zu hoch, sind chronische Entzündungen, Schilddrüsen-Funktions-Störungen, Leberzirrhose, chronisch-lymphatische Leukämie oder Windpocken möglich. Zu niedrige Werte verursachen Schilddrüsen-Überfunktionen, Lungen-Entzündungen, Knochenmark-Erkrankungen und Allergien in der akuten Phase.

Erhöhte Werte der eosinophilen Granulozyten treten bei Allergien, Infektions-Krankheiten, rheumatischer Arthritis, Knochenmark- und Krebs-Erkrankungen oder Stress auf. Niedrigere Werte entstehen infolge von akuten Infektionen, Krankheiten der Drüsen, Unfall-Verletzungen und Stress.

Erhöhte Werte der Lymphozyten deuten auf Drüsen-Insuffizienz, Krebs, chronische Infektionen, rheumatische Krankheiten oder Virus-Infekte hin. Sind die Werte zu niedrig, bedeutet das möglicherweise eine Erkrankung an Leukämie, die Akutphase einer Infektion, AIDS, starke Bauchschmerzen, Schwangerschaft, Nährstoff-Mängel oder Stress.

Bei einer zu hohen Anzahl Monozyten sind Knochenmark- oder Krebs-Erkrankungen, solche durch Parasiten, Leukämie, Virus- oder chronische bakterielle Infektionen sowie Leberzirrhose möglich. Niedrige Werte weisen ebenfalls auf Knochenmark-Krankheiten hin.